Warum ein Mercedes-Gebiß?

■ Die Ausstellung „Zahntechnik im Wandel der Zeiten“ informiert über Luxus-Zähne und düstere Vergangenheiten / Nebenbei wird der Berufsstand mit Marzipan gesichert

Warum laufen plötzlich normale Bremer mit einem Button herum, auf dem steht: „Ich küsse gern“. Man muß ganz dicht herantreten an die Küsswilligen, um klarer zu sehen. „Ich küsse gern ... mit gesunden Zähnen. Zahntechniker Meister“ ist zu lesen, das ist also Reklame für die Berufsausbildung zum Zahntechniker. Solche, das Zusammenleben berührende Schildchen bekommt man, wenn man die Ausstellung „Zahntechnik im Wandel der Zeit“ in der Unteren Rathaushalle besucht. Das ist eine kleine Leistungs- und Informationsschau der Zahntechniker-Innung Bremen mit mehreren lustigen Angeboten. Das lustigste: ein Backenzahn aus Marzipan für 9,50 Mark – ein prima Garant für die künftige Auslastung von Zahntechnik-Labors.

„Wir müssen weg vom Abzocker-Image,“ sagt Herr Sudmann von der ausstellenden Firma BEGO. Herr Sudmann riecht ungelogen nach Zahnpasta und trägt einen Schlips, auf dem eine fliegende Zahnprotese und eine glücklich lachende Frau abgebildet sind. BEGO ist ein Hersteller von Zahntechnik-Geräten in der Bremer Wilhelm-Herbst-Straße. Wilhelm Herbst war ein Bremer Zahnarzt, der 1890 eine Methode erfand, Zähne mit Blattgold zu füllen (er drückte die Blättchen Stück für Stück in das Loch, daher der Firmenname „Bremer Goldschlägerei“). Die Ausstellung soll uns, den aktuellen und zukünftigen Prothesenträgern, helfen, den Wert eines sauteuren Zahnersatzes einzuschätzen. Wir sollen wissen, warum wir statt eines künstlichen Kassengebisses (Eigenanteil ca. 1.000 Mark) eine supertolle Implantatlösung für 10.000 Mark bevorzugen sollen. Warum sollen wir, Herr Sudmann? „Das ist der Mercedes unter den Zahnprothesen!“

Die Kulturgeschichte des Zahnersatzes ist sehr interessant. Gern wurden ja jahrhundertelang Zähne durch Zähne ersetzt – von Leichen (leider oft widerrechtlich entwendet) oder von Untertanen. Menschenzähne waren farbecht und schmeckten und rochen besser als Ersatz aus Knochen oder Elfenbein. Die Inkas, man ahnt es, liebten gefeilte Kunstvorderzähne aus Gold, mit Edelsteinen besetzt. In Japan dagegen war es lange üblich, verheirateten Frauen die Zähne schwarz zu färben, weswegen man Zahnersatz aus Elfenbeinholz schnitzte.

Heute ist Zahnersatz Hitec. Da werden Gold-Platin-Legierungen mit einem Laser (z.B. von BEGO, versteht sich) an Kobalt-Chrom-Platten geschweißt, die aussehen wie das Ergebis vom Bleigießen. Herr Sudmann freut sich, daß er uns im Rathaus zeigen kann, daß „wir neben dem einfachen Zahnersatz so viel mehr an Komfort bieten können.“ Man denke bitte an künstliche Zahnwurzeln, wenn man die hat, kann man eventuell 20 Jahre lang seine Zähne vergessen und braucht nie mehr Korega-Tabs! Und wo der Gebißträger mit müden 20 Prozent seines möglichen Kaudrucks mümmelt, setzt der mit dem Mercedes-Gebiß wieder alle 100 ein!

Nebenbei müssen sich die deutschen Zahntechniker neben dem Abzockerimage auch noch um die Billiganbieter in Ungarn, Polen und auf Mallorca kümmern. Herr Sudmann rät da ja prinzipiell ab („Oder gehen Sie nach Mallorca, wenn hier Ihr Hausarzt wohnt?“). Denn so ganz störungsfrei sind auch Mercedesgebisse nicht. Und was ist, wenn es zu Unverträglichkeiten kommt?

Man kann die Ausstellung, die täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist und bis zum 31. Januar dauert, auch mit kleinen Kindern besuchen. Die malen in einer Spielecke große Gips-Backenzähne an. In den Gipsbackenzähnen ist ein Schlitz, wo man Geld reinschmeißen kann. Wenn die Kleinen heute schon anfangen zu sparen, haben sie mit 60 womöglich ihr Mercedesgebiß zusammen.

BuS