: Der ICE ist kein Hoffnungsträger mehr
Die Bahn-Umsätze bleiben weit hinter dem zurück, was Bahn-Chef Ludewig dem Aufsichtsrat noch im Dezember verkündet hatte. Der Interregio soll gekürzt werden, obwohl er Zuwächse verzeichnet ■ Aus Hamburg Jens Uehlecke
Der Umsatz der Deutschen Bahn AG ist im vergangenen Jahr weit hinter den eigenen Plänen zurückgeblieben. Dies geht aus einem internen Papier des Frankfurter Unternehmens vom 5. Januar hervor. Danach konnte der Geschäftsbereich Fernverkehr im Zeitraum von Januar bis November 1998 nur rund 4,79 Milliarden Mark einfahren, geplant waren aber 5,16 Milliarden Mark – das entspricht einem Minus von etwa sieben Prozent. Allein im Monat November lagen die Umsätze 60 Millionen Mark unter den Erwartungen. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Einnahmen um rund 200 Millionen geschrumpft.
Als Hauptgrund für die Einnahmeausfälle gab Martin Katz, Fernverkehrssprecher der Deutschen Bahn, die Zugkatastrophe von Eschede an: „Wir konnten über Monate unsere ICE-1-Züge nicht einsetzen, weil sie auf technische Mängel überprüft wurden.“ Aber auch die vielen Zugverspätungen im letzten Herbst hätten sich auf die Zahlen niedergeschlagen.
Der Bahn-internen Statistik zufolge geht der größte Teil der Einbußen auf das Konto des ICEs. Die Hochgeschwindigkeitszüge fuhren 220 Millionen Mark oder zwei Prozent weniger als erwartet ein. Die Intercity- und Eurocity-Züge blieben mit etwa 150 Millionen Mark um acht Prozent hinter den Erwartungen zurück. Einzig mit dem Interregio konnte das Unternehmen seinen Umsatz um 40 Millionen Mark und somit sechs Prozent steigern. Unternehmenssprecher Martin Katz schränkt ein: „Das bedeutet aber nicht, daß die Interregios profitabel und die übrigen Fernzüge defizitär sind.“
Die jetzt an die Öffentlichkeit gelangten Zahlen sind für den Vorstand des Unternehmens prekär. Wie aus Bahnkreisen verlautete, hatte Vorstandschef Ludewig noch auf einer Sitzung am 2. Dezember dem versammelten Aufsichtsrat ganz andere Zahlen verkündet. Damals sagte er, die ICEs werden 1998 ein Plus von sechs Prozent verbuchen, während Intercitys, Eurocitys und Interregios Verluste einfahren würden. „Wenn die jetzt vorliegenden Zahlen stimmen, wird Ludewig sich der Frage stellen müssen, warum er damals falsche Zahlen genannt und den Eindruck erweckt hat, der ICE sei ein Wachstumsträger“, sagt Albert Schmidt, grüner Bundestagsabgeordneter und Aufsichtsratsmitglied der Bahn.
Ein Grund dafür könnte sein, daß das Unternehmen unter Druck gerät, weil nach massiven Investitionen in das ICE-Netz die erhofften Erfolge ausbleiben. Bahn-Experten kritisieren, die Bahn orientiere sich viel zuwenig an den Bedürfnissen ihrer Kunden. So rügten die auf einer Eisenbahner-Fachtagung im letzten November 1998 versammelten 200 Fachleute in einer Resolution die geplante Streichung von Interregio- Linien. Die Bahn riskiere Verluste in dreistelliger Millionenhöhe.
Die Bahn plant, zum nächsten Fahrplanwechsel 30 der derzeit täglich verkehrenden 434 Interregio-Linien zu streichen. Als Begründung nennt das Unternehmen zu schwach ausgelastete Züge und Umstrukturierungen im Fernverkehr. Stefan Wenzel, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im niedersächsichen Landtag, sieht eine anderen Hintergedanken: „Die Bahn will die Fahrgäste auf die teureren Angebote wie den Intercity und den ICE zwingen.“
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