: Unterm Strich
Eigentlich geht es in Berlin ja schon ganz schön hauptstädtisch zu, aber manchen offenbar noch nicht genug. Unsere Hauptstadt soll schöner werden, findet jedenfalls Michael Naumann, der Unermüdliche. Deswegen initiiert er jetzt, zur Mahnmal- und Stadtschloß- Debatte, eine Berlinale-Diskussion: Die Berlinale soll hauptstädtischer werden. Und solche Gedanken äußert Naumann natürlich nicht einfach so beim Frühstück, sondern teilt sie dem Magazin Focus mit.
Die frappierende Erkenntnis des Staatsministers für Kultur: „Nicht nur nominell, sondern auch faktisch ist Berlin die Hauptstadt.“ Da hat der Mann sicher recht und folgert schnurstracks daraus, daß man diese gewisse Hauptstadt-Essenz dem Festival auch anmerken müsse. Aber wie soll das gehen? Das Kabinett zum Plausch mit Filmstars laden? Die Bundeswehr zur Parade bitten, mit Fahnen und Flugschau? Oder, noch schöner, ganz viele Berliner Bären über den Ku'damm trotten lassen? Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, nur, so Naumann, das hinge ja nicht nur von ihm ab, sondern auch von den Veranstaltern, und: Kosten darf es nichts.
Messerscharf die Argumentationslücke erspähend, wies Festivalleiter Moritz de Hadeln den ministeriellen Anwurf umgehend zurück: „Wenn Herr Naumann übrigens mehr Stars, mehr Konkurrenz zu Cannes haben will, dann müßte er erst mal unser Budget aufstocken, das deutlich unter dem von Cannes liegt.“
„Berlin im Wettlauf mit Cannes“, frohlocken jedenfalls schon die Agenturen, als hätten sie nur darauf gewartet, daß ihnen Naumann das Stichwort ausgibt. Und vermelden pflichtbewußt das Prominentendefilee, das in Berlin, pardon, der Hauptstadt, von Mittwoch an erwartet wird. Hollywoodstars wie Meryl Streep, Gwyneth Paltrow, Nick Nolte, Harvey Keitel und Nicholas Cage haben sich angekündigt, und Regisseur Steven Spielberg wird, allerdings außerhalb der Berlinale, seine Shoah-Stiftung zur Erinnerung an die Opfer des Holocaust vorstellen. Gerhard Schröder wird übrigens, als erster Kanzler, dieses Jahr die Festspiele im Zoopalast-Kino eröffnen. Na, das ist doch schön hauptstädtisch.
Auch sehr hauptstädtisch die Aktion, mit der Regisseur Tony Kaye am Samstag in Berlin gegen die Europapremiere seines eigenen Films protestiert hat. Am Brandenburger Tor – wo sonst – distanzierte der Brite sich von dem Film „American History X“, der Rassismus und Antisemitismus in den USA zum Thema hat, und sagte: „Wenn man mir erlaubt hätte, die Arbeit in meinem Sinne zu vollenden, wäre es ein großartiger Film geworden.“ Die Produzenten aber hätten dem Schaupieler Edward Norton erlaubt, den Film zu redigieren, und er habe seine eigene Rolle aufgewertet. In den USA, wo „American History X“ seit Herbst läuft, wird der Fall bereits vor den Bundesgerichten verhandelt.
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