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„Nie wieder Ozonalarm“

■ Umweltsenator Vahrenholt nutzt Ozon-Bilanz zur KollegInnenschelte / Trickreiche Änderung des Meßsystems

Die Ozon-Bilanz des „Jahrhundert-Sommers“ 1995 nutzte Hamburgs Umwelt-Senator Vahrenholt zur Abrechnung mit der Bundesregierung und einigen Amtskollegen SPD-regierter Bundesländer. „Umdefinition als Mittel der Umweltpolitik“, schäumte der Fritz Vahrenholt mit Blick nach Bonn, das sei „eine wirklich virtuose Leistung“.

Der Grund der Aufregung ist eine „trickreiche“ Änderung des Ozon-Meßsystems. Weil nach einer neuen Richtlinie der Europäischen Union, die ihren Niederschlag in dem in diesem Sommer verabschiedeten deutschen Ozongesetz fand, die Meßtechnik für das Reizgas geändert wurde, sinken die gemessenen Ozonkonzentrationen.

Konkret bedeutet das, daß die Ozonmeßwerte heute um 15 Prozent geringer ausfallen als Anfang 1994. Die Grenzwerte wurden der neuen Technik aber nicht angepasst. Im Ergebnis gibt es nun seltener Ozonwarnungen für empfindliche Personengruppen und auch die Autofahrer müssen den Fuß nicht mehr vom Gas nehmen.

So wurde in Hamburg 1995 der „Informationswert“ von 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft nach neuer Meßmethode nur fünfmal überschritten. Nach altem Meßverfahren hätte die Umweltbehörde hingegen 14 mal „Ozonalarm“ auslösen müssen. Da das Ozongesetz bundesweit gilt, sei „Hamburg verpflichtet“, so Vahrenholt, „sich an dieser Verfälschung zu beteiligen“.

„Die Quellen nicht verstopfen, sondern an den Meßverfahren herumbasteln, wird zum Prinzip der Umweltministerin Angela Merkel“, schalt Vahrenholt seine Bonner Kollegin. Hatte Vahrenholt sich für einen Grenzwert von 180 Mikrogramm eingesetzt, kommt es nach dem Merkelschen Ozongesetz erst ab 240 Mikrogramm zu begrenzten Fahrverboten.

Durch die neue Meßtechnik treten diese aber erst ab einer Ozonkonzentration von 280 Mikrogramm alter Meßart in Kraft. Vahrenholt: „Solche Konzentrationen werden nach menschlichem Ermessen in Norddeutschland nicht erreicht werden“. So mußte der diesjährige Hamburger Ozon-Spitzenwert von 251 auf 213 Mikrogramm heruntergerechnet werden. Die neuen Ozon-Plaketten für schadstoffarme Autos, die eine Befreiung von den Fahrverboten bewirken, seien deshalb allenfalls als Zierde zu gebrauchen.

Da auch die KollegInnen verschiedener SPD-regierter Bundesländer dem kritisierten „Ozon-Kompromiß“ zugestimmt haben (Vahrenholt: „eine negative Sternstunde der SPD-Umweltpolitik“) sieht sich der Umweltsenator als einsamer „Verlierer“ des sommerlichen Ozon-Pokers. Schade nur, daß Vahrenholt seine berechtigte Frustenergie nicht in produktivere Bahnen lenkt. Ein Konzept zur ganzjährigen Zurückdrängung des privaten PKW-und LKW-Verkehrs in Hamburg könnte die beklagten Umweltprobleme am ehesten lösen. Da dies vom für „Verkehr“ zuständigen Senats-Kollegen Eugen Wagner kaum zu erwarten ist, wäre hier Vahrenholts Kollegenschelte gefragt. Marco Carini

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