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Die Würde des Kühlergrills

■ Nur aus Versehen auf der Kulturseite gelandet: Daimler-Werbung im Wagenfeld-Haus

„Faszination Mercedes“ – und am Kassenschalter liegt auch noch ein aufgeplusterter Prospekt „Der SLK“ aus. Igitt. Unternehmenswerbung im Museum? Doch halt, es scheint nur so. Denn das Tempelchen gegenüber des Gerhard-Marcks-Hauses ist kein Museum! Deshalb heißt es auch nicht Wagenfeldmuseum, sondern nur Wagenfeld-Haus. Und das wird eben nur zum kleineren Teil benutzt von der Wagenfeldstiftung, zum größeren Teil vom Design Zentrum. Das wird finanziert vom Wirtschaftssenator. Die Ausstellungen an diesem Ort – über Milka, Jacobskaffee, DASA, Werbeagentur Haase und jetzt Daimler – haben nicht die Funktion, kritisch das Design in Vergangenheit und Gegenwart zu reflektieren.

Der Sinn und Zweck solcher Ausstellungen, für den Standort Bremen zu werben und hiesigen Werbeagenturen unter die Arme zu greifen, ist schnöde. In Zukunft sind sie kein Fall mehr für die Kulturseite. So nimmt es auch nicht Wunder, daß „Faszination Mercedes“ hier das Auto aus jedem gesellschaftlichen Kontext isoliert: Also keine Fakten über Verkehrstote, sauren Regen, Stauaufkommen, das Auto als lachhaftes Selbstdarstellungsmittel etc.

Ein wenig mulmig wird einem aber doch bei der riesigen Freude von Klaus Berthold, Chef des De-sign Zentrums, über das rege Interesse von Schulklassen an der Ausstellung. So werden demnächst wehrlose Kinder autogeil gemacht und durch Stilblüten wie „Die Reinkarnation einer Legende“ oder „Die Mercedes Fahrzeuge ... präsentieren sich als Objekte vollendeter Ästhetik“ versaut.

Natürlich hat Daimler die Ausstellung komplett finanziert: die Plakate, das, was sich frech „Katalog“ nennt (hohes Gewicht, wenig Info) Schaukästen und jene Entwicklungsmodelle, die wie vergrößerte Matchboxautos aussehen, aber 100.000 Mark wert sein sollen. In Vitrinen verpackt, werden sie von Myriaden von Niedervoltlampen wie Filmstars umschwärmt – auf Kosten Daimlers. Doch das teuer renovierte Wagenfeld-Haus wurde dem Konzern mietfrei zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt. Wenn man bedenkt, daß Jürgen Schrempp sich weigert, sein Gehalt in Deutschland zu versteuern, kann man sich darüber gewaltig ärgern. Zumal auf Daimlerwunsch kein Eintritt verlangt wird.

Vorher war diese Ausstellung über 98 Jahre Daimler schon zur Eröffnung der Berliner debis-Zentrale zu sehen. Auf Bremen folgen Kopenhagen, Mailand und Stuttgart. Auch das Designzentrum Kopenhagen ist vom Industrieressort finanziert.

Will man von Gerhard Honer, das ist der Chefdesigner für die Nutzfahrzeuge, wissen, wie die Entscheidungsprozesse innerhalb der Firma zwischen Designern, Vorstand und technischen Entwicklern laufen, dann verbreitet der natürlich nur eitel Sonnenschein und erzählt nicht von Fehlentscheidungen, Kompetenzgerangel, Ärger. Dann sagt er aber selbstbewußt: „DIE können nur das entscheiden, was WIR ihnen hinstellen.“

Nur einmal kriegt man einen Eindruck von jenen langsam malenden Mühlen dinosauriergroßer Betriebe, die wohl auch für die langweilige Optik auf Deutschlands Straßen verantwortlich sind. Da wollte man mal den Rechteckscheinwerfer vorn auf der Schnauze durch zwei Glubschaugenscheinwerfer ersetzen. Bei zwei Modellen wurde diese stilistische Revolution erprobt – und verworfen; erst die E-Klasse wurde damit beglückt. Besonders um Kühlergrill oder Stoßdämpfer wird so hart gerungen wie anderswo um die doppelte Staatsbürgerschaft.

Solche Kämpfe um jede miniaturhafte Abweichung kann man Trägheit und Einfallslosigkeit nennen; Virtuosen des „Positive thinking“ greifen aber lieber zu dem schönen Namen „Design-Philosophie“. Während der Pressebesichtigung fiel dieses Wort etwa 100 Mal und meinte „Respekt vor der Tradition“, „Evolution statt Revolte“ und „horizontale und vertikale Kontinuität“. Texttafeln zu den Modellen erklären, daß diese „markanten“, „legendären“, „ausgefeilten“, „eleganten“, „kraftvollen“, „sportlich dynamischen“, „kompromißlosen“, ja „würdevollen“, „unsterblichen“ Manifestationen der Eitelkeit die Menscheit „bestechen“, „faszinieren“, „bewegen“. Eine Ausstellung über die Schwachsinnigkeit des Werbejargons? Gerhard Honer schätzt vor allem „die Emotionalität“ der Modelle. Wo sind hier Emotionen? „Zum Beispiel die lange Motorhaube.“ Und der kurze Smart? „Da ist es die Art der Gliederung, die ist sehr eigenständig, sehr sympathisch, sehr erwachsen, sehr hoch.“ Ob er mit ihm ins Bett geht?

In Bremen bauen 16.000 Mitarbeiter im Jahr 1999 230.000 Exemplare der fetten und sportlichen Modelle (CLK, SLK, Sl und T-Modelle der C-Klasse). Die Mitarbeiter gehen hoffentlich bald in Streik für legitime 6,5 Prozent Lohnzuwachs. bk

Bis 5. April, Di 10 bis 21 Uhr, Mi bis So 10 bis 17 Uhr

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