: Die DaimlerChrysler-Story, Teil I Von Martin Sonneborn
Weil – und damit! – nicht jeder Wolga oder Citröen DS fahren kann, gibt es ja: Mercedes! Und andere Marken. Vor allem aber Mercedes. Zwar lernten wir früh, daß Mercedes über irgendwelche Aktienpakete eigentlich komplett dem Araber gehöre; aber der freundliche Herr Czisielsky vom Schrottplatz beschwor die Qualität der Luxuskutschen, die „im Gegensatz zu BMW doppelt dicke Bleche und gekonterte Schrauben überall“ hätten: „Die halten!“ Halten aber nicht! Bin ich doch im vergangenen Jahrzehnt u.a. und vor allem der Frage nachgegangen, wie es eigentlich um den Export von Mercedes-Wagen nach Moskau und Beirut steht. Die russische Hauptstadt überprüften Herr Dr. Grams und ich Anfang der 90er Jahre anläßlich einer Konzertreise der Hamburger Band Bazooka Cain, die damals einen wenig beachteten Auftritt in einem vorwiegend von Afghanistan-Veteranen besuchten Nachtclub in einem Moskauer Außenbezirk hinlegte.
Bazooka Cain machten in ihrer Karriere gut zweimal Schlagzeilen; das erste Mal, als sie ihre zweite Single in den innen mit Alufolie ausgelegten Tüten des tschechischen Brathähnchenverkäufers „Lukagrill“ auf den Tisch brachten, und zweitens, weil ihre erste CD sich gerade in der letzten Woche zum 384. Mal verkauft hat.
Mercedes machte einmal Schlagzeilen, als Herr Dr. Grams, die Band und ich in zwei Mercedes-Taxen und mit stark überhöhter Geschwindigkeit durch die frühmorgendlichdunklen Straßen Moskaus rasten. Kein ungefährliches Unterfangen, zumal sich eine hohe Vielzahl neuester Mercedes- Limousinen ebenfalls einen Scheißdreck um die geltende Verkehrsordnung scherte. Die meisten von ihnen hatten Bielefelder Kennzeichen und die nicht dazugehörigen schnauzbärtigen Osteuropäer am Steuer. Und hielten durch! Nicht halten tat das erste Taxi unserer Kolonne; jede Menge Funken flogen, bevor es in der Mitte auseinanderbrach.
Sicher, wir hatten ein paar Pfund Stolichnaya getrunken; aber jeder Idiot erkennt ein auseinandergebrochenes Taxi, wenn er davor steht. Und ich stand davor. Wir registrierten den Minuspunkt für Mercedes, klopften dem irritierten Fahrer auf die Schulter und vergaßen ein paar Instrumente im Kofferraum, als wir in ein Wolga-Taxi umstiegen. Am nächsten Tag wollten Dr. Grams und ich die Schulbank sehen, die der Dichter Wenedikt Jerofejew kurzzeitig gedrückt hatte, und zu diesem Zwecke die Lomonossov-Universität betreten – einen herrlich imposanten, stalinistischen Prachtbau. Den bewaffneten Pförtnern boten wir einen Bestechungsdollar, sie lachten nur und wollten 1.000. Wir lachten mit. Später entgingen wir nur knapp einer Verhaftung, weil wir an einem illegalen Tip-Kick-Turnier auf dem Roten Platz teilnahmen, „freuten“ uns über einen Bonustag in Brest-Litowsk, weil die Abfahrt unseres Zuges aus Spaß vorverlegt worden war, tranken uns mit Shiguli-Bier durch die Nacht und „schliefen“ im Schmutz vor der Toilette des nächsten Zuges.
Zu Hause stellten wir anhand einer russ. Postkarte fest, daß wir in Moskau Universität und Außenministerium verwechselt hatten. Und daß wir nun dringend die Situation von Mercedes im Lande seiner arab. Eigentümer zu überprüfen hätten: zum Mercedes-Export nach Beirut ein anderes Mal...
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen