Banalität des Blöden

■ Viel Design, viele Freaks, wenig Thrill: "8 MM" von Joel Schumacher

Er habe sich Nicolas Cage für die Rolle gewünscht, sagt Regisseur Joel Schumacher, „weil ich wußte, daß er mit mir geradewegs in die Hölle gehen würde“. Als Höllentrip in die düstersten Kammern der amerikanischen Seele wird „8 MM“ nun annonciert. Im Presseheft hagelt es Begriffe wie Pornoshop, Sexklub, Genitalbeutel, ganz zu schweigen von den „tiefsten Niederungen menschlicher Abartigkeit“.

Die Hölle, das sind natürlich die anderen. Nicolas Cage ist der untadelige Privatdetektiv Tom Welles, Familienvater und Träger dezenter Sportjacketts. Seiner Frau kommen im ganzen Film genau drei Aufgaben zu: ihm mit dem Baby auf dem Arm „Ich liebe dich“ zu sagen, selbige Liebe in Rückenlage zu vollziehen und ihn daran zu erinnern, daß Rauchen gesundheitsschädlich ist.

Im Auftrag einer reichen alten Dame soll Welles ermitteln, ob der im Geheimsafe ihres verstorbenen Gatten gefundene Snuff-Film tatsächlich die echte Folterung und Ermordung eines Mädchens zeigt. Die Witwe will vom Gegenteil überzeugt werden, doch damit kann ihr Welles nicht dienen. Er deckt einen Ring von abgrundfiesen Pornotätern auf.

Eddie Poole, schmieriger Chef einer Castingfirma, lockt seine Kundinnen mit dem Versprechen einer großen Hollywood-Karriere an, doch sie landen stets im Studio des über und über mit Klunkern, Kreuzen und Totenköpfen behängten „Jim Jarmusch des S&M“, Dino Velvet. Dort nimmt sie ein Dickwanst im Lederkostüm, der auf den Kosenamen „The Machine“ hört, in Empfang und wetzt die Messer. It's freak-show-time!

Als Bestiarium funktioniert Schumachers Film gut, aber als Thriller mit hochgesteckten Zielen („Das Schweigen der Lämmer“, „Seven“) lahmt er. Das liegt daran, daß er sich den biedermännischen Blick seines Helden voll zu eigen macht. Charakterlich ist er so unerschütterlich integer, daß er von dem Grauen, das er bekämpft, auch nicht einen Hauch fasziniert ist. Regisseur Schumacher, der schon in seinen „Batman“-Filmen mehr Produktionsdesign als Handlung anbot, scheint auch hier nur Augen für die Ausstattung zu haben. Er hat reihenweise Fabrikhallen in Dunkelrot umlackieren lassen, die Farbe der Sünde. Stahlgestänge und Metallverstrebungen hängen grundsätzlich schief ins Bild und werden von schwülem Dämmerlicht beschienen. Daß in der Pornoindustrie nur Äußerlichkeiten zählen, verdeutlicht Schumacher subtil durch eine Schlachthofszene, für die eigens 3.000 Kilo Rind- und Lammfleisch herangekarrt wurden.

Ungefähr zur Filmmitte bekommt man das Gefühl, daß es ihm eigentlich egal ist, ob seine Bösewichte vor laufender Kamera Menschen zu Tode foltern, Schirme aus Schirmständern klauen oder Zeugnisnoten fälschen. Hauptsache, sie werden zur Strecke gebracht. Einen nach dem anderen nimmt sich Detektiv Welles vor, und bei jedem erkundigt er sich vorher noch nach den Beweggründen fürs Mitmachen. „Weil ich das Geld brauche“, sagt Dino Velvet, der Regisseur. Zum Schluß schafft es Welles, auch „Machine“ die Maske vom Gesicht zu reißen. Zum Vorschein kommt ein ganz normaler Mann mit Brille. „Es gibt kein Mysterium“, sagt er. „Ich mache die Sachen, die ich mache, weil ich sie gern mache.“ Die Banalität des Bösen ist die Banalität des Blöden.

„8 MM“. Regie: Joel Schumacher. Mit Nicolas Cage, Joaquin Phoenix, James Gandolfin u.a. USA, 124 Min. Heute, 12 Uhr, Royal Palast; 18.30 Uhr Urania; 22.30 Uhr International