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Gewaltakt auf Kosten von Frauen –betr.: „Hauptsache unsichtbar“, (Schweden und die Sexfürsorge), taz.mag vom 13./14.2.99

In Ihrem Artikel stempeln Sie die Kriminalisierung von männlichen Freiern durch die schwedische Justiz (und den damit beabsichtigten Schutz für die Frauen) mit nichtssagenden Begriffen wie „Fürsorgementalität“, „Welt verbessern wollen“ und „man hatte es so gut gemeint“ ab und täuschen den LeserInnen vor, Sie wollten Partei ergreifen für Frauen, die sich prostituieren. Tatsächlich aber setzen Sie sich für die Männer ein, die (glauben) ihre Macht nur mit der Geldbörse und dem Schwanz unter Beweis stellen (zu) können und deren Rechte beschnitten werden sollen.

Denn um was geht es den SchwedInnen bei ihrem Gesetz?

Nicht die Arbeit der Frau soll kriminalisiert werden, sondern die Freier, die Sex kaufen oder besser: als Sex getarnte Machtphantasien, um nichts anderes geht es hierbei nämlich, ausleben.

Die Folge einer Legalisierung der Prostitution dagegen ist die Kapitulation vor patriarchalen Verhältnissen und somit die Gleichstellung mit Arbeiten wie Busfahren oder Wurstverkaufen. Doch im Gegensatz zu Busfahren und Wurstkaufen ist die Inanspruchnahme käuflicher Liebe in allen Fällen ein Gewaltakt auf Kosten von Frauen, auch wenn diese häufig eine notwendige Distanz zwischen ihrer Arbeit und ihrem Privatleben angeben und die Folgen ihrer Arbeit herunterspielen.

Einer linken Tageszeitung und deren Korrespondenten sollte klar sein, daß der Aufbau einer solchen vollständigen Trennung in keinem Beruf funktioniert, sondern nur eine zur Vermeidung von psychischem Streß vorgenommene Verdrängungsleistung darstellt. Daß Prostitution kein Traumberuf ist, als den sich ihn viele Männer vielleicht vorstellen möchten, wird uns noch oft genug durch beschönigende Medienberichte und verharmlosende Traditionalisierung (“ältestes Gewerbe der Welt“) vorgegaukelt. Aber das Bild der Frau, die immer und gerne will und somit Hobby und Beruf idealerweise verbindet, läßt sich halt nicht so einfach aus männlichen Hirnen vertreiben; sie wollen es wahrscheinlich auch gar nicht wahrhaben.

Sicher hat das schwedische Gesetz auch negative Folgen, insbesondere für Frauen, die von Prostitution abhängig waren oder sind. Dort gibt es sicher auch noch viel zu tun, um vor allem drogenabhängigen Prostituierten zu helfen. Ziel einer jeden Gesellschaft muß es aber sein, jedem und jeder die Möglichkeit zu geben, gleichberechtigte und selbstbestimmte Sexualität zu leben. Nur eine breite Emanzipation beider Geschlechter ist hierzu in der Lage, und als Schritt in diese Richtung ist die Kriminalisierung der Freier (schon um zu zeigen, daß ihr Handeln keineswegs „normal“ ist) sicher sinnvoller als die Legalisierung, die dem Freier auch noch Möglichkeiten geben wird, sein Recht auf „Sex“ einzuklagen(!) [...] Heiko Sendelbach, Marburg

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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