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Türkische Medienschau

Eine historische Schande

titelt die Hürriyet und polemisiert heftig gegen den Bundestagsabgeordneten der Grünen, Cem Özdemir. Er hatte in einer Rede vor dem Bundestag zu den jüngsten Protestaktionen der Kurden und dem Fall Öcalan Kritik an den türkischen Medien geübt. Die Hürriyet greift das Thema in wohlbekannter Polemik auf und wettert gegen ihr selbsternanntes Feindbild Özdemir: „Während der Bundestag die Aktivitäten der PKK debattierte, hat Cem Özdemir in seiner gestrigen Rede im deutschen Bundestag die türkischen Zeitungen mit dem Presseorgan der PKK in dieselbe Waagschale geworfen. Özdemir behauptete (...) sie würden Hetznachrichten verbreiten und die Bundesrepublik und die Parlamentarier angreifen (was hiermit bewiesen wäre... die säzzerin) und forderte den Bundestag auf, auf die türkischen Zeitungen und die TV-Kanäle einzuwirken.

Beschmutzungskampagne nennt der Chefkommentator der Hürriyet (Ertug Karakullukçu) die Berichterstattung der deutschen Medien zu Kurdenproblematik und PKK. In seinen Schimpftiraden ähnlichen Kommentaren kann er nie auf namentliche Angriffe auf Özdemir und andere verzichten: „Die Wahrheiten in Sachen PKK werden besonders in Deutschland abscheulich verdreht. Während man die terroristische PKK als Opfer darstellt, wird die türkische Presse und die Türkei auf die Anklagebank gesetzt. Die Verhaftung Öcalans diente dazu, die Meinung der Öffentlichkeit irreführend zu verdrehen... Die Schmutzkampagne speist sich aus zwei Quellen: erstens die Medien... und zweitens, wenn wir hinter die Kampagne der Medien schauen, werden wir die Hauptakteure mühelos erkennen... Eigentlich möchten wir unseren lieben Lesern gar nicht auf die Nerven gehen, indem wir seinen Namen erwähnen, aber wir sind verpflichtet, die Wahrheit zu präsentieren. Beispiel Cem Özdemir, Beispiel Prof. Udo Steinbach...

Der große Demokrat Cem Özdemir hat gestern die Saubohne ausgespuckt, die er im Mund versteckt hielt, und den deutschen Bundestag aufgefordert, auf die türkische Presse einzuwirken. Wie gewöhnlich stellte er die türkischen Zeitungen, die immer die Harmonie und deutsch-türkische Freundschaft verteidigen, als Deutschland- und Harmoniefeinde dar...

Das ist eine ungeheure Verdrehung. Das ist eine glatte Sabotage. Das ist Provokation des Bundestages. Das ist Mißachtung der Pressefreiheit. Wir bezeichnen Cem Özdemir als unanständig im Namen der Demokratie und der Pressefreiheit, wegen seines unglaublichen Verhaltens gegenüber der deutsch-türkischen Freundschaft und seinem Verstoß gegen unser Ideal von Harmonie. (24.02.99)

Zusammengestellt von: Taha Kahya und Songül Çetinkaya

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