: Hamburgs mythischer Supermarkt für Rockmusik
■ Die Große Freiheit 36 befriedigt seit zehn Jahren den Bedürfnishaushalt musikinteressierter Hamburger
„Der Laden ist für mich ein Supermarkt für Rockmusik. Aber nix gegen einen gut geführten Gemischtwarenladen. Da hab' ich Respekt vor. Die lassen ja auch junge Bands mal ran, die sonst keine Chance haben“: Ganz pudel-salomonisch fällt der Hamburger Entertainer Rocko Schamoni sein Urteil über den Veranstaltungsort mit dem beziehungsreichen Namen Große Freiheit 36, der dieses Wochenende sein zehnjähriges Bestehen feiert. Tatsächlich schafften es die Betreiber des Konzerthallen-Disco-Doppels unter Leitung des Inhabers Karl Hermann Günther, drei verschiedene Komponenten aus dem Bedürfnishaushalt des musikinteressierten Hamburgers mit ihrem Programm zu befriedigen.
Erstens schlossen sie die Lücke, die das schlapphütige, Bluesbands ein Gnadenbrot liefernde Café Kaputt in Winterhude und das von den Feistrock-Muckern aller Stadtteile gern als „Oase“ beschworene Onkel Pö in Eppendorf hinterlassen hatten. Zweitens erinnerten sich die Booker, wie die Programmgestalter im Musikgeschäft heißen, bei der Verpflichtung von Gruppen an die bundesweit beliebten Großveranstaltungen des Rockpalastes, wo die Völker bis tief in die 80er Jahre hinein die Signale der Bands aus dem vorangegangenen Jahrzehnt zu hören bekamen. Nicht alle Interpreten dieser Gattung konnten gewonnen werden, aber zumindest das Muffmauken-Flair jener Jahre verströmte wieder erfolgreich.
Bei aller Internationalität im Programm fiel die Große Freiheit schließlich drittens durch eine personelle Ortsverbundenheit auf, wie sie sonst höchstens noch das Rathaus erreicht. Der pauli-kompetente Historiker und Fotograf Günter Zint ist ein Bruder im Geiste des Hauses, das musizierend junggebliebene Pauli-Urgestein Achim Reichel hat um die Ecke gewohnt und feierte hier voriges Jahr sich selbst, und in der fernen Vergangenheit verlieh das Liverpooler Beatrock-Quartett The Beatles als Hausband im Kaiserkeller dem Ort Unsterblichkeit.
In den Jahren seit der Eröffnung fehlte es auch nicht an Glücksfällen, die das Weiterkommen erleichterten. Selbst kleinere und größere Katastrophen gereichten der Großen Freiheit zum Vorteil. Karl Hermann Günther faßt es in einer bemerkenswert zupackenden Art zusammen: „Unserem Senkrechtstart auf der heißen Meile kam wohl auch zugute, daß durch die Aidswelle und die Pinzner-Affäre das traditionell dort angesiedelte Gewerbe in einer Krise steckte. In das Vakuum drängte die Große Freiheit mit ihrem Musikprogramm und ihren multikulturellen Angeboten.“
Die Mischung aus prosaischer Deftigkeit und ungestörter Vergnügen-schaffen-ohne-Waffen-Attitüde brachte für Günther und seine Mitarbeiter den Erfolg. Konzertveranstalter wie Fritz Rau holen zum gegebenen Anlaß gern mit der großen Beschwörungspatsche aus: „Die Große Freiheit 36 ist Rockgeschichte, Gegenwart und Zukunft.“
Nach der Samstags-Party nehmen am Sonntag altgediente lokale Gäste die musikalische Ehrung vor Ort vor: Abi Wallenstein, B. Sharp, Norbert und die Feiglinge, Soultrain und sicherlich der eine oder andere Überraschungsgast werden die Gemeinde der Großen Freiheit in Jubellaune stimmen.
Kristof Schreuf
Heute: Die Party, 21 Uhr; morgen: Das Konzert, 20 Uhr
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