: Mäh' sie nieder!
Rache ist weiblich: Das 3001 zeigt diese Woche Female-Trash-Klassiker ■ Von Tobias Nagl
Wenn die militanten Lesbian Avengers in NYC eine ihrer Veranstaltungen mit einem Plakat bewarben, auf dem Pam Grier knapp bekleidet als Coffy mit doppelläufiger Pumpgun posierte, konnte man jedesmal sicher sein, daß der Raum gerammelt voll würde. Solche Verbindungen von Pop und Politik sind heute inzwischen genauso Geschichte wie die Idee des Kultfilms selbst – denn wie und wo sollen Kulte sprießen, wenn Schmuddelkinos den Mulitplexen weichen und mit ihnen die Mitternachtsvorstellung schwindet?
Im 3001 will man sich mit dieser Entwicklung nicht anfreunden. Dort weiß man die innovative Funktion des B-Films zu schätzen – auch wenn das nur noch im Rückblick möglich ist, weil dessen Anliegen und provokativer Bildervorrat längst mit Grünem Punkt versehen und im Mainstream absorbiert wurden. Wirkt der zur Zeit laufende rape-revenge-plot von A Gun for Jennifer wie eine Reminiszenz an die Zeiten, in denen man noch vor den Recyclingbeauftragten der offiziellen Kultur auf den Russ-Meyer-Ausgrabungsstätten war, präsentiert nun eine Mini-Retro drei Vorläufer zum Thema weibliche Rache.
Als zentraler Katalysator für die Vigilanten-Arien steht in diesen Filmen zu Beginn meist Vergewaltigung als brutalste Manifestation männlicher Macht. Das unterscheidet diese Produktionen erheblich von Männlichkeitskrisen der Dirty-Harry-Nachfolger: Ihre Gewalt, selbst wenn sie sich verselbständigt, tritt als Reaktion auf patriarchale Zwänge auf, nicht als Versuch, diese zu erhalten. Und anders als männliche Film-Mörder wie Norman Bates handeln sie nicht aus psychologisch-sexueller Verwirrung. Wenn Frauen im Kino töten, dann mit sozialem Auftrag. Zweischneidig, wie die rape revenge-Formel sich präsentiert, zwingt sie ein meist männliches Horror-Publikum zur masochistischen Erfahrung und in die Identifikation mit Frauen – legendär ist da schon, wie in Wes Cravens Bergman-Remake Last House On The Left einem Vergewaltiger bei der Fellatio das Genital abgebissen wird –, andererseits bedürfen diese Exekutionen der Rechtfertigung durch eine universalistische Moral.
Herschell Gordon Lewis' anarchistische Exploitation-Perle She-Devils On Wheels (1968) ist von letzterer sicherlich am weitesten entfernt, schielten Drive-In-Klassiker dieser Machart sensationalistisch auf die abgründigsten kulturellen Sensibilitäten und Sehnsüchte ihrer Zeit. Russ Meyers Faster, Pussycat! Kill! Kill! nicht unähnlich, jagen hier Bikerinnen nach Herzenslust Männer mit Motorrad-Ketten über das Feld, ahnden heterosexuelle Romanzen mit gnadenloser Härte und enthaupten einen männlichen Rocker mit einer strategisch plazierten Klaviersaite: „Man-Eaters, start your engines!“
Anders die mit Jackie Brown rehabilitierte Blaxploitation-Ikone Pam Grier in Jack Hills Coffy (1973): Tagsüber arbeitet sie als Krankenschwester, nachts rächt sie sich an den Dealern, die ihre Schwester auf dem Gewissen haben. Beides geschieht natürlich im Auftrag von Black Power, und wenn ein perverser Mafioso sie zwingen will, unterwürfig auf allen Vieren über den Boden zu kriechen, bekommt die folgende Kastrationsmission auch noch politische Weihen. Dabei läßt Coffy keine Gelegenheit aus, Pam Griers Brüste ins rechte Licht zu setzen, denn die von notorischen B-Studios wie AIP billig zusammengeschusterten Blaxploitation-Filme waren oft auch schlicht kassenträchtige sexploitation.
Abel Ferrara folgt in seinem kalten New-Wave-Schocker Ms. 45 – die Frau mit der 45er Magnum (1980) einer stummen Protagonistin auf einem Amoklauf durch New York. So wie Frauen immer schon zum Verstummen gebracht wurden, verschafft sich seine Thana nach zwei Vergewaltigungen mit der Magnum Gehör und mäht alles nieder, was sich ihr in den Weg stellt: schmierige Fotografen, arabische Scheichs, puertorikanische Gangbanger. Wenn dann allerdings im katholisch-kitschigen Showdown Thana als bestrapste Nonne selbst von der Gewalt eingeholt wird, stellt das nicht nur die patriarchale Ordnnug tragisch wieder her, sondern zeigt auch eine Freude an der Fetischisierung des weiblichen Körpers. Und gegen die wollte das Genre eigentlich verzweifelt angehen.
She Devils On Wheels: Do, 18. + Fr, 19. März, 22.30 Uhr. Coffy – die Raubkatze: Sa, 20. + So, 21. März, 22.30 Uhr. Ms 45 – Die Frau mit der 45er Magnum: Mo, 22. bis Mi, 24. März, 22.30 Uhr, 3001
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen