: Belgrad nimmt Presse im Kosovo ins Visier
■ Gericht verhängt hohe Geldstrafe gegen „Kosova Sot“. Herausgeberin befürchtet das Aus
Priština (taz) – Jetzt knöpft sich Belgrad auch die kosovo-albanische Presse vor. Nachdem bereits drei unabhängige Belgrader Tageszeitungen wegen Verstoßes gegen das neue Mediengesetz zusammen 770.000 Dinar bezahlen mußten, wurde nun die Kosova Sot, die größte Zeitung des Kosovo, zu einer Geldstrafe von 1,6 Millionen Dinar – umgerechnet 265.000 DM oder auf dem Schwarzmarkt 175.000 DM – verdonnert. Das Corpus delicti: ein Kalenderblatt, das die Zeitung der Silvesterausgabe beigelegt hatte und das unter dem Signum der UÇK ein Großfoto von Soldaten der Befreiungsarmee zeigte. Zudem wurde der Zeitung vorgeworfen, eine regimefeindliche Linie zu vertreten.
Vor dem Verlagshaus der Interpress, wo die Zeitung gedruckt wird, warteten gestern früh etwa 50 Journalisten auf die Polizei. Sie hatte sich für neun Uhr angekündigt, um den Wert der Druckmaschinen zu schätzen und mit der Konfiszierung der Wertsachen zu beginnen. Bis 14 Uhr war die Staatsmacht nicht erschienen.
Die Kosova Sot erschien erstmals im vergangenen September, hat aber mit einer verkauften Auflage von täglich 30.000 Exemplaren die Koha Ditore vom Spitzenplatz verdrängt. Das Blatt wird von 20 Journalisten gemacht, die im Durchschnitt etwa 25 Jahre alt sind, wie die Herausgeberin Margarita Kadriu, die befürchtet, daß das letzte Stündchen der Zeitung geschlagen hat. Denn ihr Vater, Ruxhdi Kadriu, Eigentümer der Zeitung und der Druckerei Interpress, will die hohe Geldstrafe nicht entrichten. „Die könnten ja nächste Woche mit dem nächsten Bußgeldbescheid erscheinen“, meint er „und übernächste Woche wieder, bis ich ruiniert bin.“
Für die ersten zwölf Monate der Zeitungsproduktion hat Ruxhdi Kadriu 200.000 DM Verlust einkalkuliert. Das kann er sich nur leisten, weil die Interpress 80 Prozent der albanischsprachigen Schulbücher druckt. Nun weiß er nicht, was die Polizei zuerst beschlagnahmen will: die Offset-Druckmaschinen oder die Rotationsdruckmaschine für die Zeitungsproduktion.
Vom Urteil, das am Freitag früh in Belgrad fiel, hat Kadriu erst zufällig am selben Tag erfahren. Die schriftliche Entscheidung konnte er dann vorgestern einsehen, der Beschluß zur Konfiszierung wurde ihm gestern zugestellt. Die Produktion der Zeitung nach Montenegro auszulagern, wie das zwei Belgrader Blätter bereits gemacht haben, ist für ihn keine Lösung. So hofft der Mann nun vor allem auf den Protest der internationalen Gemeinschaft. Thomas Schmid
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