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Boxen als immerwährender Elfmeter

■ Die taz powert: Samstag ist in der Stadthalle gr(andi)oßer WM-Kampf mit Michalczewski

„Powern Sie noch mal“, ruft Erich Laaser von Sat 1/ran zwanzig mittelinteressierten Sportjournalisten mitten hinein ins Gewissen. Also werden wir hier voll die Kanne powern, denn „wir brauchen power, damit die Halle voll ist. Ostersamstag ist nicht gerade ein glücklicher Tag.“ Alle Welt auf Ostereiersuche. Und so sind von den 5.500 finanziell unverzichtbaren Karten und 7.000 möglichen erst 3.000 im Vorverkauf losgeschlagen. Pleitestadt Bremen eben. Ein Grund mehr, am Karfreitag in sich zu gehen. Tut Dariusz Michalczewski übrigens auch, aber erst ostersonntags. „Egal wo ich mich gerade aufhalte, ich feiere so ein Fest auf meine Weise.“ Was denn diese „seine Weise“ im Falle Ostern ist, weiß er allerdings noch nicht. Dein Ich, das unbekannte Wesen: Dieses Halbschwergewicht scheint ein Philosoph zu sein; und ein Katholik. Vorgestern besuchte er in Bremen einen polnischen Gottesdienst. Und beim nächsten Besuch des Papstes in seiner Heimatstadt Danzig, will er dabeisein. Apropos dabeisein; Zeit unserem Powerauftrag nachzukommen. Dabeisein werden am Tag der Abrechnung: die Werder Bremenmannschaft – geschlossen, Satirker Tom Gerhardt, Skispringer Martin Schmitt, Mr. President „und viele mehr“, hofft Laaser berufsoptimistisch. Die Freunde des Boxens waren schon immer ein skurril gemischter Haufen. (Übrigens, auch Urdrü ... jaja.)

Auf Pressekonferenzen erfährt der hellsichtige Jounalist viel: Zum Beispiel über die Stärken des Gegners Muslim Biarslanov. Die hat er nicht etwa im Hühnerauge oder Ohrläppchen, sondern „in der Schlaghand“, verrät Tiger-Trainer Fritz Sdenuk. Biarslanov bescheiden: „An einem Profiboxer ist jede Seite eine starke Seite.“ Sdunek über Michalczewskis: „Er ist weise geworden, schlägt weniger und trifft öfter.“ Zffff.

Weniger elegant dem Powergebot Folge leisten tut hingegen ein Journalistenkollege. Er flüstert, Biarslanov sei nicht gerade erste Sahne. Mit Proleten-Schiebermütze und 1.78 m Höhenwuchs, der eher nach 1.68 m aussieht, wirkt er eher wie aus Brechts altem “Kuhle Wampe“-Film entsprungen denn als zeitgeistiger Sportler. Dafür feuert Trainer Sdunek: „Es ist eine Pflichtverteidigung: Biarslanov ist die Nummer 1 der WBO. Und die Nummer 1 muß geboxt werden.“ Was für Satz! Welche Unerbittlichkeit! Erhabenheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit, sagte einst Schiller. Laaser kongenial: „Boxen ist immer Elfmeter.“ Nur die beiden Boxer schwächen verbal. Was ihm denn durch den Kopf geschossen sei, auf der achtstündigen Zugfahrt aus den Tiefen Dagistans bis zum Flughafen, löchert ein anekdotenlüsterner Journalist Biarslanov. Langes flüstern mit dem Dolmetscher, dann: „Nichts. Ich habe geschlafen.“ Und auf die Frage, welche Schläge denn besonders weh-täten, schüttelt der Tiger den Kopf: „Was für eine blöde Frage.“ Nicht übelnehmen. Der Mann hat schließlich seinen 17. WM-Kampf (Powerrekord!) vor sich und seit 1991, dem Beginn seiner Pofikarriere, 39 Siege hinter sich. Powertip für Frühaufsteher: Um 8 Uhr kann man ihn und ein paar Enten beim Joggen im Bürgerpark erleben. Dann ist für Michalczewski bis Samstag Abhängen angesagt. Fachterminus: „Stabilisierungsphase.“ bk

Auf Sat 1, Samstag ab 22.15; live ab 20h fünf Schaukämpfe; Kartenhotline 0180/55700; 30-785 Mark.

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