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Fummel zur Identitätsstiftung

■ Unter dem Motto Sweet Transvestite zeigt das Zeise-Kino eine Reihe mit Filmen, in denen Männer mit den Angora-Pullovern ihrer Frauen das Geschlecht wechseln

Manchmal kommt das cineastische Abenteuer mit dem Fahrstuhl. In dem kultisch verehrten Crossdresser-Musical The Rocky Horror Picture Show zum Beispiel seilt sich bekannterweise ein Mann in Strapsen und Frauenkleidern süffisant per Lift in die Jetzt-Zeit herab, um ein jung vermähltes Paar via Oralverkehr und Geschlechterspiel in den Abgrund sexueller Irrungen und Wirrungen zu stürzen. Zur Freude aller Beteiligten letztlich. In der Kinoreihe „Sweet Transvestite“ zeigt das Zeise-Kino jetzt vier Filme, in denen ausschließlich Männer im Fummel und Make-Up in einer Welt nach Orientierung forschen, in der Wesen wie sie eher die Ausnahme bilden.

In Stephan Elliots leichtfüßiger Komödie Priscilla – Königin der Wüste düsen drei Federboa-Diven per Klapperbus durch die australische Wüste zu einer Kabarett-Show und brillieren in dieser Ödnis dank lobenswerter Sticheleien und Oscar-premierter Kostüme. Die mehrfachausgezeichntete Dokumentation Paris Is Burning von Jennie Livingston hingegen arbeitet weniger fiktiv, sondern skizziert die Werte und Wünsche der Parallelwelt „Drag“ anhand der hispanischen und schwarzen Schwulen- und Transsexuellen-Szene New Yorks. Für die lesbische Filmemacherin ist Mann- oder Frausein keine Frage der Biologie, sondern ein rein kultureller Prozeß und Stilistika wie „Vogueing“ ernstgemeinte identitätsstiftende Momente.

Ein ähnliches Problem trieb den legendären C-Movie-Regisseur Ed Wood zumindest ansatzweise in seinem Exploitation-Klassiker Glen Or Glenda an den Rand des Nervenzusammenbruchs. In dem Pulp-Werk aus dem Jahr 1953 spielt Wood höchstselbst einen Mann mit der ausgeprägten Neigung, sich blonde Perücken und die Angorapullis seiner Ehefrau überzuziehen. Natürlich hinter verschlossenen Türen. Daß da am Ende der alles verändernde Skalpellschnitt auch im Schlafzimmer und nicht in einer Klinik vollzogen wird, spricht für die Konsequenz dieses durch und durch billigen Erstlingswerk des leichtfertigerweise als „schlechtester Regisseur der Welt“ titulierten Kino-Nerds.

Oliver Rohlf

Paris Is Burning: Mo, 5. und Di, 6. April, 22.45 Uhr. Priscilla – Königin der Wüste: Mo, 12. und Di, 13. April, 22.45 Uhr (Montag mit einem Auftritt der Drag Queen Olivia Jones vor der Filmvorführung). Glen Or Glenda: Mo, 19. und Di, 20. April, 22.45 Uhr, The Rocky Horror Picture Show: Mo, 26., und Di, 27. April, 22.45 Uhr, Zeise

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