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After Eros, geplatzte Träume

■ Die Oldenburger Ballett-Tage sind erfolgreich zu Ende gegangen

Man konnte sich gut einrichten bei den diesjährigen Oldenburger Ballett-Tagen. Hochkarätige Ensembles zwischen Klassik und Avantgarde waren zu sehen. Schön war es immer und auch mal ein bißchen frech.

Für die kecke Attitüde stand die „Ricochet Dance Company“ aus Birmingham mit „5IVE-part one“ von Nigel Charnock. Sechs junge Menschen fordern das Publikum verbal mit exhibitionistischer Vulgarität heraus. Auftrumpfend entlarven sie Beziehung als – hier weibliche – Inszenierung aus Macht und Manipulation und tanzen schließlich nur einsam um ihr kleines, sich verlierendes Ego, dem echter Kontakt nicht gelingt. Eine folgerichtige Entwicklung, doch in der Inszenierung war sie als Bruch spürbar. Eine führende Linie fehlte.

Äußerst durchgearbeitet und daher steril wirkten fünf kleinere Arbeiten von Elisa Monte und David Brown (New York). Ihnen fällt für ihre achtköpfige Truppe nicht viel mehr ein als die übliche Mann-Frau-Kopulation. Alles hübsch ästhetisiert und immer schön symmetrisch im Raum.

Und so wurden die Eindrücke dieses Abends auch nachhaltig überlagert von den Körperbildern der amerikanischen Choreographin Maureen Fleming. Ihre Konzepte und Bewegungsabläufe sind im Butoh und im Zen verwurzelt. Eine elfenbeinfarbene Skulptur verwandelt sich in blauem Licht langsam zu einem blütenhaften Wesen. Ihr Stück „After Eros“ zeigt die Metamorphose des Körpers zum rein psychischen Bild: meditativ, karthartisch.

Zum Abschluß der Ballett-Tage war's dann aber vorbei mit dieser reinen Schönheit. Wim Vandekeybus lotet mit „In Spite of Wishing and Wanting“, das er in Oldenburg als Deutschlandpremiere zeigte, die Spannung aus, die Sehnsucht in die Körper treibt. Das Stück gleicht einem Experiment: Im Bühnenraum lungern nur männliche Tänzer von „Ultima Vez“. Sie sind eingesperrt. Es herrscht ein Höllenlärm. Sie scheinen die Bühne auseinandernehmen zu wollen. Am Rande dieses Getümmels sitzt ein zynischer Regisseur auf einem Stuhl, gibt gelassene Anweisungen, zieht die Fäden. „In Spite“ ist eine laute, groteske Tanzoper, ein multimediales Happening zu harten Grooves von David Byrne.

Vandekeybus streut auch hier kleine Filme über die Macht des Wortes ein – Trash in der Bildsprache Monty Pythons. Der Gefahr, daß die einzelnen Sequenzen den Zusammenhang verlieren oder sich gegenseitig entwerten, entgeht er dabei nur knapp. Aufgefangen wird diese Tendenz vom guten Ensemble. In dieser Männerphantasie sind die Tänzer zu einem gemeinsamen Kern vorgedrungen, der als Impuls den Tanz wie von unsichtbarer Hand führt. Außerdem wird viel über das, was man sein will, geredet: Kinderträume. Jungs, die ihre Vision in sich tragen oder mit aller Gewalt verteidigen. Doch am Schluß dieses Stückes platzen alle Träume. Marijke Gerwin

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