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Fette Typen mit Dreadlocks

Sparen tun Bottom 12 nicht, wenn es um die Rhythmusabteilung geht: Gesprächspartner JxPx ist einer der zwei Schlagzeuger der Band. Dazu drischt der Sänger bei Bedarf auch mal virtuos auf Ölfässer ein. Ein ziemlich verrücktes Line-Up also, aber Bottom 12 machen auch verrückte Musik: Industrial-artiges Stahlgeballer trifft auf wüste Hardcore-Gitarren und Ska-Grooves. Keyboards wobbeln, Radios kreischen und man fragt sich, was zur Hölle da los ist, wenn Bottom 12s neustes Album „Simple Mechanics“ im Player rotiert. Heute abend gastieren die sieben Kalifornier in Syke.

taz: Ihr lebt an der amerikanischen Westküste, von wo aus Aerobic um die Welt ging, wo man sich „Krieg der Sterne“ ausdachte und wo Leute am Strand mit dem Handy am Ohr Gewichte stemmen. Ein bißchen verrückt zu sein, scheint dort normal. Inwieweit beeinflußt Euch Eure Umgebung?

JxPx: Wie spiegeln natürlich sehr viel wieder von dem, was um uns rum ist. Wir nehmen Einflüsse aus dem täglichen Leben und lassen sie in unsere Musik einfließen. Wir leben in Los Angeles, was angesichts der Größe per se schon ein sehr durchgedrehtes Wohnumfeld ist. Die Vorproduktion für unsere neue Platte haben wir am Hollywood Boulevard gemacht, und da bekam man den Alltagswahn noch verschärfter mit: Crackheads lagen vor der Studiotür, das war dort ganz normal. Es war schön, aber auch ganz schön bitter. Wir hingen viel auf der Straße rum, aßen regelmäßig in einem Laden namens „Gary's“ schmierige Pizza und lernten richtig viele Leute kennen, die alle irgendwie auf der Grenze standen. In einer Stadt wie Bremen hätten wir nicht dieses agressive, feindliche Umfeld. Und diese Wut treibt uns an.

Ich dachte immer, das sonnige L.A. wäre ganz nett zum Wohnen.

JxPx: Man denkt, Los Angeles ist großartig, aber es ist höllisch. Für die Leute in Beverly Hills gibt es natürlich keine Probleme, für die Leute, die in der Gegend von Echo Park leben, natürlich schon.

Vielfalt scheint das Schlüsselwort für Eure Arbeit zu sein.

JxPx: Ja, total. Schau dir nur an, was für Typen in der Band sind: John Mc Gommery etwa ist ein fetter, schwarzer Dreadlock-Typ. Wir sind alle Spezialisten. Manche haben eine richtige Musikausbildung und kommen aus Jazzbands, ich dagegen komme eher aus der Hardcore- und Punk-Ecke.Es ist schwer vorstellbar, daß wir privat miteinander rumhängen würden.

Wie habt Ihr Euch gefunden?

JxPx: Schwer zu sagen. Durch die Musikszene wohl. Es gab keinen Plan, diese Band mit völlig verschiedenen Typen zu besetzen.

Alle kommen musikalisch aus anderen Ecken und das hört man auch. Macht Ihr Euch es nicht damit schwer, überhaupt ein Publikum zu finden?

JxPx: Es gibt nur einmal die B-52s, nur einmal Devo. Originalität findet ihre Hörer. Dafür kann auch niemand wie wir klingen, und wir sind stolz darauf. Es nervt, wenn Leute uns in Schubladen stecken. Wir sind nicht Ska oder Funk. Wir sind da, um Euch einen neuen Sound zu bringen. Um Wände einzureißen, Grenzen zu sprengen.

Also, ich würde ja nur Ska machen und reich und berühmt werden. Why don't you simply play SKA and get rich and famous?

JxPx: (flucht nicht jugendfrei auf amerikanisch, das Wort fängt natürlich mit „F“ an)

Also braucht Ihr auch zwingend diese große Bandbreite an Musikinstrumenten.

JxPx: Das ist eben auch ein Resultat der Suche nach neuen Sounds. Ich verändere dauernd den Klang meiner Drums, spiele an den Fellen rum. Ich habe auch ein neues Ölfaß, das klingt sehr kraftvoll. Meine Temponi ist eine riesige Pedal-Trommel, war leider zu groß, um es im Flugzeug mitzubringen

Euer neues Album hat meiner Ansicht nach im Vergleich mit alten Sachen eine ganze Menge Anknüpfungspunkte für Leute, die nicht die schwierige Musik gewohnt sind, für die Bottom 12 bislang stand. Vor allem melancholische Elemente. Seit Ihr nun doch weich geworden?

JxPx: Keine Ahnung, wie wir das gemacht haben. Ich denke, es ist ein Ergebnis dessen, was in unserem Leben gerade passierte. Es waren sehr wichtige persönliche Dinge, Beziehungsprobleme, Jobprobleme. Ein paar lösten sich auf, andere wurde man gar nicht los. Ich war völlig pleite. Jeden Tag gab es nur Nudeln und Butter zum Essen. Daher kommt der Ärger, die Traurigkeit. Das nächste Jahr wird hoffentlich besser. Das nächste Album wir sicher noch verrückter.

Interview: Lars Reppesgaard

Bottom 12 spielt heute abend im Jugendzentrum Syke ab 20 Uhr

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