Wild aus der Region: Bio und fettarm, iss Hirsch

Das Fleisch von Reh und Rothirsch ist öko. Sollte, wer Fleisch essen will, nicht in der Lage sein, ein Tier zu töten?

Rothirschbrunft im Herbst. Bild: dpa

DEUTSCHLAND zeo2 | Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hatte immer schon eine gute Nase für Trends. Darum sollte man es nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn der Milliardär zur Waffe greift: „Ich esse ab jetzt nur noch Fleisch, dass ich selber geschossen habe“, verkündete „Zuck“ schon 2011.

Ist es ein Zufall, dass in den USA seitdem Bücher erscheinen mit Titeln wie „Call of the Mild: How to hunt my own dinner“? Angewidert vom Betrieb der Fleischindustrie zieht im „Ruf der Mildniss“ eine Ex-Bankerin mit der Pump-Gun durch das ländliche Oregon und bläst weg, was in den Kochtopf passt.

Verrückt? Eine dieser irren Ideen aus den USA, die bei uns keine Chance haben? So wie Facebook, Skateboards und Hamburger? Je länger man über die Sache nachdenkt, desto sympathischer könnte einem die Jägerei werden: Wer selbst auf die Jagd geht, hat nicht gleich etwas gemein mit dem Klischee-Jäger, dem alten Bonzen mit Doppelbockflinte und Flachmann auf dem Ansitz.

Mit dem Auslauf von Wildsau, Rehbock und Hirschkuh kann auch das glücklichste Biohuhn nicht mithalten. Und statt mit dem Massentransport ins Schlachthaus kommt der Tod aus des Jägers Büchse – geräuschlos mit dem überschallschnellen Geschoss Kaliber 7x64. Bleifrei natürlich. 

Regionale Voll-Bio-Lebensmittel

Zumal: Sollte, wer Fleisch essen will, nicht auch in der Lage sein, ein Tier zu töten? Nun verwehrt das Gesetz hierzulande den spontanen Waffenkauf zwecks Selbstversorgung, und auch so einen Jagdschein erwirbt man erst nach Jahren. Den deutschen Appetit auf regionale Voll-Bio-Lebensmittel stoppt das aber nicht.

Der neue Trend: Hirsch-Burger. Im vergangenen Sommer auf dem Gut Darß auf ebenjener Ostsee-Halbinsel. Die Kurgäste drängen sich um den Grill. Der Bio-Großbetrieb serviert Hirsch-Burger. Die Leute vom Gut Darß mitten im Ostseeschutzgebiet kennen sich aus mit der Fleischproduktion. Sie halten über 2.000 Fleischrinder und sie geben ihnen immerhin reichlich Auslauf. Es ist ihr Geschäft. Sie haben Kühlhäuser und steril reine Zerlegeräume.

Die Jäger von der Ostseehalbinsel können darum problemlos hier ihr Wildbret abliefern. Die ganzen Tiere. Ausgeweidet, aber noch in Decke oder Schwarte, wie der Jäger sagt. Allein: Das Wildfleisch ist ein klassisches Saisongeschäft. Vor allem im Herbst schießen die deutschen Jäger ihre Jahresstrecke von rund 60.000 Hirschen, einer halben Million Wildsauen und gut einer Million Rehe.

Die Kunden wollen davon vor allem die „Edelstücke“: Rehrücken, Hirschrücken und Keule sind schnell ausverkauft. Gulasch geht schon schlechter. Gehacktes geht gar nicht. Das soll der Hirsch-Burger ändern. „Im Zeitalter von bewusster Ernährung, Bio und fettarm haben wir viele Trümpfe auf unserer Seite“, sagte Rolf Strohmann vom Gut Darß der „Deutschen Jagdzeitung“.

15.000 Tonnen Fleisch von Hirsch, Sau, Reh und Damwild kommen pro Jahr in Deutschland zusammen. Bild: dpa

Selbst auf Jagdmessen machte er mit dem Hirschburger dieses Jahr von sich reden. Strohmann verkauft die gepressten Rohlinge für den Hirschburger: Die kleinen mit 100 Gramm kosten 1,40 Euro, die XXL-Fleischklopse mit 180 Gramm kommen auf 2,50 Euro. Sein Geschäft bleibt aber regional, er verkauft nur ab Hofladen.

Trotz solcher Mühen lässt sich mit Wild keine Masse machen. Das liegt zunächst mal in der Natur der Sache: 15.000 Tonnen Fleisch von Hirsch, Sau, Reh und Damwild kommen pro Jahr in Deutschland zusammen (gerechnet ohne Knochen). Das klingt viel. Ist aber nur ein Bruchteil gegenüber den acht Millionen Tonnen Fleisch, die 2012 in deutschen Schlachthäusern »erzeugt« wurden.

Direkt auf dem Teller landen davon immer noch 4,8 Millionen Tonnen oder 60 Kilo pro Nase und Jahr. Wollten die Deutschen ab sofort nur noch heimisches Wild essen, gäbe es für jeden nur noch 180 Gramm. Gerade mal einen XXL-Hirschburger. Und selbst das nur mit Import-Unterstützung. Denn Wildfleisch kommt fast nie in den Handel.

Der Hofladen des Gutes Darß oder die Wildkammer Siebengebirge bei Bonn – sie verschickt Fleisch auch schockgefrostet – sind die Ausnahme. Das meiste Fleisch wird von den Jägern immer noch direkt vertrieben – illegal unter der Hand. Für einen richtigen Vertrieb setzt die EU Schlachthäuser, Zerlegeräume und professionelle Kühlung voraus. Das lohnt sich bei ein paar Rehen pro Jahr nicht. 

Wild aus Ungarn, Slowenien oder Polen

Darum wird der Ruf nach mehr Wildfleisch längst vom internationalen Handel beantwortet, das Revier heißt Ungarn, Slowenien oder Polen. Und bietet der Supermarkt Hirschrücken an, nennt das Etikett meist eine Insel hinter Australien: Im 18.000 Kilometer entfernten Neuseeland werden Hirsche gehalten wie hierzulande Rinder, in riesigen Gattern.

Bei über 3.000 Farmern stehen 1,2 Millionen Tiere, 400.000 wurden zuletzt pro Jahr geschlachtet. Kein Land kauft von dort so viel Hirsch ein wie Deutschland. Es gibt Leute die sagen, dass das früher auch schon mal als „Hirschfleisch aus dem Schwarzwald“ verkauft wurde. Selber jagen: Mark Zuckerberg könnte wieder einen guten Riecher gehabt haben.

Marcus Franken, der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeo2 1/2014.

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