Unterm Strich

Die Export-Union des deutschen Films, die letztes Jahr in Cannes mit dem Tirolerhut im Genick auftrat (das heißt, die mit einem recht absonderlichen, alpenländisch angehauchten Empfang auffiel, bei dem es schreckliche Musik und ebenso schreckliches Essen gab), schickt vorab schon mal eine Freudenbotschaft in die einheimischen Redaktionen. Deutschland sei bei den diesjährigen 52. Internationalen Filmfestspielen in Cannes „sehr gut vertreten“. Doch kann man einer Organisation trauen, die an der Croisette mit „Rosamunde“ zu Würstel und Sauerkraut aufspielt? Selbstverständlich nicht. Es gibt wieder keinen deutschen Film im Wettbewerb. Ja, Werner Herzog darf zwar konkurrenzlos den Dokumentarfilm zeigen, den er seinem Lieblingsfeind Klaus Kinski gewidmet hat, und Andreas Kleinerts „Wege in die Nacht“ eröffnen immerhin die „Quinzaine des Réalisateur“, was gewiß ein Erfolg für ein Kleines-ZDF-Fernsehspiel ist. Daß freilich keine weiteren deutsche Produktionen die Vorauswahl überstanden, gibt zu denken. Die amerikanischen Majors hat es genauso hart getroffen. Allein Columbia ist mit seiner Studioproduktion von John Sayles im Wettbwerb vertreten. Dafür gibt es merkwürdige Statistiken im Pressedossier. So erfährt man, daß 13 Regisseure noch nie im Wettbewerb waren. Wer hätte gedacht, daß Almodóvar noch nie dabei war, wo Jim Jarmusch schon mit sechs Filmen nach Cannes gereist ist. Sein siebter, „nervenzerfetzender Thriller“ (Presseverteiler von Arthaus Filmverleih) handelt von einem Auftragskiller, der in seinem Job strikt nach Samurai-Regeln vorgeht. Peter Greenaway hatte auch schon fünf Filme in Cannes und wartet nun mit „8 œ Women“ auf, der wohl kompliziertesten denkbaren Story. Ein Genfer Geschäftsmann und sein Sohn erben zunächst einmal 8 œ japanische Pachinko-Spielsalons, dann verlieben sie sich in – bitte schön, japanische! – Erdbeben sowie in die Frauen von Federico Fellinis „8 œ“, und am Ende planen sie, in Genf ein Bordell zu eröffnen. Nun ja. David Lynch war zwar bislang nur mit zwei Filmen vertreten, gewann aber mit „Wild at Heart“ 1990 die Goldene Palme. Jetzt läßt er einen gewissen Alvin Ray Straight seinen 350 Meilen entfernt wohnenden Bruder besuchen. Allerdings unternimmt Straight die Reise auf einem motorisierten Rasenmäher. Auch Takeshi Kitano, Atom Egoyan und Pedro Almodóvar schicken ihre Protagonisten auf die Reise. Sie suchen verlorene Familienmitglieder oder Liebhaber. Im Zweifelsfall „La Modernité“, das ist das dem Wettbewerb unterliegende Auswahlkriterium. Cannes will Filme zeigen, die „formale Innovation mit dem aktuellen Diskurs der Gegenwart verbinden“, wegweisend ins 21. Jahrhundert. Damit man auch hier das Y2K-Problem nicht vergißt. Ab Freitag gibt's hier dann täglich 120 Zeilen CannesCannes.