Unterm Strich

In Zusammenarbeit mit den taz-Redaktionen „Flimmern und Rauschen“ sowie „Leibesübungen“ und freundlichen Überlassungserklärungen können wir ihnen hier stolz Heiner Geißlers Ausführungen über das Kulturgut Sport präsentieren, die der frühere CDU-Generalsekretär auf den Mainzer Tagen der Fernsehkritik gemacht hat. Darin heißt es: „Tennis ist Handwerk, Leichtathletik ist Maloche. Über jeden künstlerischen Zweifel erhaben ist das Gleitschirmfliegen. Was haben alle Sportler gemeinsam mit den Künstlern, auch den Politikern?“ Gute Frage oder was? Auf jeden Fall philosophiert der Geißler munter drauflos. „In dem Empfinden, ungerecht behandelt zu werden, fühlt sich der Sportler ebenso wie der Politiker dem Künstler verwandt, ist doch die Politik, wie schon Bismarck gewußt hat, eben nicht, wie viele Professoren meinen, eine Wissenschaft, sondern eine Kunst. Konrad Adenauer hat dies noch viel einfacher erklärt: In der Politik sei zwei mal zwei nicht immer vier, sondern manchmal fünf.“ Adenauer wußte als Boccia-Freund, wovon er spricht, und auch Geißler ist als früherer Sportminister und aktiver Drachenflieger einschlägig vorbelastet. Und dann kam Geißler auch zum Thema: „Der Schiedsrichter ist der eigentliche Künstler beim Fußballspielen. Er ist der Mephisto, der die Volksseele zum Kochen bringt. Der Schiedsrichter ist die letzte Chance, um auch einmal gegen den FC Bayern München gewinnen zu können. Bitte macht das Fernsehen nicht zum Schiedsrichter, nicht das Fußballspiel zu einem Gerichtsverfahren!“ Und weiter hinten führt Kulturkritiker Geißler fort: „Der Tanz ums Goldene Kalb hat begonnen. Aber das ging schon damals schief. Es wird laufen wie bei den Aktienkursen: Wenn der Crash kommt, ist es zu spät. Der Markt ist nicht alles, zumindest nicht der Geldmarkt. Der eigentliche Markt, das sind die Zuschauer, und die wollen nicht nur Freiheit, sondern auch Gerechtigkeit.“ Wenn sich der Geißler da mal nicht täuscht. Zum Schluß muß noch ein bißchen Ästhetik: „Jetzt erkennen wir auch, warum Trapattoni gescheitert ist: Ästhetisch schöne Spiele von Mannschaften, die hinterher verlieren, haben zwar etwas mit Kultur, aber wenig mit dem deutschen Fußball zu tun. Trappatonis Kampf gegen Egoismus und Werteverfall war von vornherein aussichtslos; und sein Versuch, den Deutschen eine Idee von modernem internationalem Fußball zu injizieren, ist nicht so recht geglückt. Ein bißchen ist bei den Bayern hängengeblieben. Aber richtig ist, daß Trappatoni dem Fußball als Bestandteil des Kulturlebens zu neuer Tiefe verhalf. Was Joschka Fischer für die Grünen, sei Giovanni Trapattoni für Deutschlands Fußballehrer gewesen: endlich mal einer mit anständigen Klamotten.“ Hat dem Geißler Spaß gemacht, zu erzählen, was ihm zum Sport so einfällt.