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Do-it-yourself Abschiebung

Weil der Bundesgrenzschutz derzeit keine widerständigen Flüchtlinge abschiebt, macht's Hamburg jetzt mit eigenen Beamten  ■ Von Heike Dierbach

Der Bundesgrenzschutz (BGS) verweigerte der Hamburger Ausländerbehörde dieses Mal die jahrelang gewohnte Kooperation. Er bezog sich dabei auf die Anordnung von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vom vorigen Freitag, vorerst keine Abschiebungen durchzuführen, bei denen mit Gegenwehr zu rechnen ist. Das war bei Murat Ercan der Fall: Der 15jährige verliert laut einem psychologischen Gutachten „schnell die Kontrolle“, wenn er sich bedroht fühlt und werde auch handgreiflich. Doch die Hamburger Ausländerbehörde ficht der entsprechende Erlaß des Bundesinnenministers nicht an: Sie schob Ercan gestern nachmittag ab – „mit eigenen Vollzugskräften“.

Das wird künftig zur Regel werden, kündigte der Sprecher der Ausländerbehörde Norbert Smekal an, „solange der BGS nicht mehr abschiebt“. Der Erlaß gelte formell nur für den BGS, nicht aber für die Kräfte der Landesbehörden. Das Bundesinnenministerium bestätigte diese Version. Grund für Schilys Entscheidung war der Tod eines Afrikaners gewesen, dem BGS-Beamte bei seiner Abschiebung auf dem Frankfurter Flughafen einen Motorradhelm aufgesetzt hatten. Helme dürften die Hamburger Vollzugskräfte ohnehin nicht anwenden, so Smekal – wohl aber Zwangsmaßnahmen wie Fesseln.

„Das Vorgehen der Ausländerbehörde unterläuft die eigentliche Intention der Weisung Schilys“, kritisierte gestern Antje Möller. „Es kann nicht angehen, daß die Innenbehörde einfach nur das Personal austauscht.“ Die GAL-Fraktionsvorsitzende forderte eine Aufklärung des Falls und ein „eindeutiges Akzeptieren der Vorgabe Schilys“. Auch Rolf Polle, der für die SPD im Petitionsausschuß der Bürgerschaft sitzt, konnte es „kaum glauben“.

Für Rechtsanwältin Erna Hepp, deren Büro Ercan vertreten hatte, wirft die Abschiebung nicht nur vor dem Hintergrund der Schily-Weisung Licht auf eine veränderte Abschiebepraxis der Behörde: Ercan litt laut eines psychologischen Gutachtens unter einer hohen suizidalen Gefährdung. Daher hatte er seit der Ablehnung seines Asylantrages im März 1998 Duldungen erhalten. Die letzte lief gestern ab. Da der Jugendliche durch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz aktenkundig geworden sei, so Smekal, sei die Abschiebung gerechtfertigt. Wegen der „Krankheit“ habe man ja einen Arzt mitgeschickt.

„Das Vorgehen der Ausländerbehörde entspricht dem internen Papier der Innenbehörde, nach dem in Zukunft vermehrt abgeschoben werden soll“, so Hepp, „es wird versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen“. Das von GAL und SPD kritisierte Papier, das vor zwei Wochen bekannt geworden war (taz berichtete), hatte unter anderem vorgesehen, auch selbstmordgefährdete Flüchtlinge abzuschieben – in Begleitung eines Arztes.

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