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Iranische Musik unterm Christbaum

■ Grundschule Bornheide: Weihnachten in der realexistierenden Einwanderungsgesellschaft

Dunjascha glaubt an den Weihnachtsmann. Und es ist ihr völlig egal, daß die anderen Kinder in ihrer Klasse das bescheuert finden. Sie setzt sogar noch einen drauf: „Und Knecht Ruprecht ist sein Vater.“ Ob nun Vater, Sohn oder doch jemand anderes die Geschenke bringt, spielt keine Rolle. Hauptsache, es gibt welche. „Geschenke“, schwelgt sie, „sind doch das Schönste, was es gibt im Leben.“

Dunjascha geht in Hamburg zur Schule. Ihre Familie stammt aus dem Iran. Weihnachten feiern sie alle bei einer Freundin ihrer Mutter, erzählt die Zehnjährige. Wie sie feiern? Blöde Frage – wie man Weihnachten eben feiert: Geschenke, Essen. Und dann wird getanzt, zu iranischer Musik.

Geschenke gibt es auch in Jasmins Familie. „Sonst feiern wir aber nicht, gehen nur spazieren oder so.“ Was das denn für ein Weihnachten sein soll, entrüsten sich einige Mitschüler. Bis Dunjascha sie aufklärt: „Das sind eben richtige Moslems.“ Jasmin ist Türkin, Zehra auch. Sie jedoch schildert „ihr Weihnachten“ als Bilderbuchfest, Adventskranz und Tannenbaum inklusive. Ihr Lehrer vermutet, daß das nicht zutrifft. „Aber einige Kinder mögen nicht erzählen, daß es bei ihnen zuhause anders ist.“ Und auch Novica aus Bosnien besteht darauf, daß er Weihnachten „ganz normal“ feiert. „Wie die Deutschen auch.“

Dunjascha geht in die vierte Klasse, gemeinsam mit Kindern aus Bosnien, Portugal, Polen, Rußland, Deutschland, Korea und der Türkei. Auch in den anderen Klassen der Grundschule Bornheide sitzen Mädchen und Jungen unterschiedlicher Nationalitäten nebeneinander – und mit verschiedenen Religionen. Holger Maschmann, Dunjaschas Lehrer, versucht darauf Rücksicht zu nehmen. Auch seine Kolleginnen und Kollegen würden „Weihnachten nicht so überbetonen“. Kein Glitzerchristbaum also, keine Krippe, kein „Vom Himmel hoch“. Und am Adventskalender in Maschmanns Klasse hängen Pinguine aus Pappe statt Jutesäckchen a la Knecht Ruprecht. Das Plündern des Adventskalenders und das Vorlesen von „Weihnachtsgeschichten aus aller Welt“ beschränkt sich auf zehn Minuten des Schultages.

Vollkommen verzichten möchte er auf Weihnachten als Unterrichtsbestandteil jedoch nicht. „Die Kinder kommen von selbst an und fragen, wie das denn war mit Maria und Josef.“ Er möchte das „als Geschichte zur Kenntnis bringen“. Es gehe ihm nicht darum, daß die Kinder daran glauben sollen. Und wenn er mit ihnen backt oder eines der Kinder den anderen bei Kerzenschein vorliest, habe das letztlich sehr wenig mit Glauben und sehr viel mehr mit Stimmung zu tun. Allerdings, räumt er ein, beschränken sich die Weihnachtsgeschichten auf eben dieses christliche Fest; andere Religionen und ihre Feiertage kommen nicht darin vor.

Auch Nicole feiert Weihnachten „ganz normal, wie alle“. Und sie fände es schon gemein, wenn andere Kinder nicht so feiern. Weil die dann ja keine Geschenke bekommen. „Wir kriegen was, und die gucken nur zu.“ Stefanie Winter

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