American Pie
: Dranbleiben, zuschlagen

■ Im heute beginnenden NBA-Finale gegen San Antonio ist New York Außenseiter

And I knew if I had my chance

Daß man Jeff van Gundy nicht so leicht los wird, mußte vor einigen Jahren schon Alonzo Mourning feststellen. Damals hing ihm der gnomenhafte Coach der New York Knicks hartnäckig am Bein und ließ sich mitschleifen, als sich der Center der Miami Heat gerade in eine Rauferei stürzen wollte. An diese vielbelächelte Szene muß zur Zeit Dave Checketts vermutlich oft denken. Der Präsident der Knicks wird van Gundy nämlich auch nicht los. Mehrfach stand der Coach mit dem notorisch mißvergnügten Gesichtsausdruck während der Saison kurz vor dem Rausschmiß, und in Spiel fünf der ersten Play-off-Runde gegen die Miami Heat am 16. Mai war die letzte Sekunde seiner Amtszeit eigentlich schon angebrochen. Da setzte Allan Houston einen ziemlich windschiefen Wurf an, der wundersamerweise fast mit der Schlußsirene zum 78:77 für New York in den Korb fiel – Auftakt einer erstaunlichen Erfolgsserie, welche die Knicks in die NBA-Finals gegen die San Antonio Spurs führte, die heute im Alamodome der texanischen Stadt beginnen.

Jeff van Gundy, von Michael Jordan einmal als „kleiner, hüpfender Gummiball“ bespöttelt, hyperventiliert also immer noch mit wehendem Schlips an der Seitenlinie und ist schwerer loszuwerden denn je. Durch das Erreichen der Endspiele verlängert sich sein Vertrag automatisch um ein Jahr, sein Gehalt erhöht sich von zwei auf 3,5 Millionen Dollar. Nicht schlecht für jemanden, der schon Geschichte war.

Geschichte waren für die meisten auch die Knicks dieser Saison, die jetzt das schlechteste Vorrundenteam sind, das jemals die Finals schaffte. Dies trotz der Verletzung des Center-Veteranen Patrick Ewing, trotz eines Ersatz-Centers, Chris Dudley, der den Korb nicht trifft – schon gar nicht von der Freiwurflinie –, trotz eines Point Guards, Charlie Ward, der eine der höchsten Ballverlustquoten der Liga hat, eines anderen, Chris Childs, der kaum Punkte oder Assists beisteuert, und trotz schlechter Wurfquote von innen wie außen. Die Offensive wird weitgehend von den Forwards Latrell Sprewell und Allan Houston getragen, doch auch die haben oft Durststrekken zu verkraften. Warum die Knicks trotzdem gewinnen? Ganz einfach: Defense! Ihre vom dynamischen Marcus Camby dominierte Abwehrarbeit war die Grundlage dafür, daß Jeff van Gundys Devise „dranbleiben und am Ende zuschlagen“ im Halbfinale gegen Indiana funktionierte.

Gegen die San Antonio Spurs, die laut van Gundy „tatsächlich keine Schwächen“ haben, ist eine starke Defense erst recht der Schlüssel. Das System der Texaner ist ebenso einfach wie wirksam. Der Ball wird unter den Korb gespielt, wo die beiden Riesen David Robinson oder Tim Duncan, wenn keine Hilfe kommt, locker gegen ihren Mann punkten. Wird gedoppelt, geht der Ball hinaus zu den Distanzwerfern Sean Elliott, Mario Elie, Steve Kerr oder Avery Johnson. Von ihren letzten 48 Spielen haben die Spurs 42 gewonnen.

„Ich habe unserem Videokoordinator gesagt, ich will alle Teams sehen, die in den letzten drei Monaten gegen sie gewonnen haben“, erzählt Jeff van Gundy, „und er gab mir diesen kleinen Haufen Bänder.“ Vier Stück genau. Dave Checketts hat trotzdem Vertrauen zu seiner Mannschaft: „Das ist ein Team, das trotz widriger Umstände, Verletzungen, Schwierigkeiten, Ungewißheiten zusammengefunden und entschieden hat, daß es gewinnen will.“ Daß die widrigen Umstände zu einem nicht geringen Teil auf seinem Mist gewachsen waren – Schwamm drüber. Matti