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Ausstellung wandert weiter

Wehrmachtsausstellung des Instituts für Sozialforschung geht auf neuen Träger über. Inhaltliche Weiterentwicklung angekündigt  ■ Von Elke Spanner

Hätte man Jan Philipp Reemtsma vor vier Jahren prophezeit, daß nach Hamburg noch 90 weitere Städte die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ zeigen wollen, er hätte „ungläubig den Kopf geschüttelt“. Mittlerweile, so bilanzierte der Leiter des Instituts für Sozialforschung gestern, habe sich der Charakter der Ausstellung gewandelt: Einst als Dokumentation über wissenschaftliche Forschung konzipiert, sei sie selbst zum Forschungsgegenstand geworden. Deshalb soll sie nun einem breiteren Träger übergeben werden: Anfang August geht sie auf den neugegründeten „Verein zur Förderung der Ausstellung“ über.

Dem gehören Prominente an, die in den vergangenen Jahren öffentlich Partei für die Ausstellung ergriffen haben: Etwa der Vorsitzende des Zentralrates der Deutschen Juden, Ignatz Bubis, der frühere österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky, der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel und Hans Koschnick, Bosnienbeauftragter der Bundesregierung (weiterer Bericht Seite 6). Einen prominenten Vertreter der CDU ins Kuratorium zu bekommen, nannte Ausstellungsleiter Hannes Heer eine „Aufgabe der nächsten Zeit“.

An 33 Orten wurde die Ausstellung mittlerweile gezeigt, 80.000 BesucherInnen haben sie gesehen. 750.000 Mark aus Eintrittsgeldern wurden seither an Opfer des deutschen Vernichtungskrieges auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion gezahlt, berichtete Reemtsma. Künftig wird das Geld für die inhaltliche Fortentwicklung der Ausstellung eingesetzt.

Heer bezeichnete es als besonderen Verdienst der Dokumentation, daß sie „die ferne Diskussion über den Nationalsozialismus in die Familien getragen habe“. Eine bis dahin „beschwiegene Schuld“ werde endlich diskutiert, so Hans-Jochen Vogel. Beeindruckt habe ihn im Mai 1997 die Bundestagsdebatte über die Ausstellung. In einem schriftlich festgehaltenen Beschluß über die Rehabilitierung damaliger Deserteure sei explizit vom „Angriffs- und Vernichtungskrieg“ die Rede, der von Nazi-Deutschland ausgegangen sei.

Während er den parteiübergreifenden Konsens lobte, erinnerte der ehemalige Leiter des militärischen Forschungsamtes in Freiburg, Manfred Messerschmidt, daran, daß voriges Jahr die CDU in Baden-Württemberg den Beschluß gefaßt habe, die Ausstellung nicht in öffentlichen Gebäuden zu zeigen. Eine ablehnende Haltung gegenüber der eigenen Geschichte attestierte der frühere Brigadegeneral Winfried Vogel auch den Führungskräften der Bundeswehr. Bei den Eröffnungsfeiern für die Ausstellung seien die für diese reservierten Plätze stets frei geblieben. Hans-Jochen Vogel findet das unverständlich. Auch er sei von 1943 bis 1945 Soldat gewesen, „und ich fühle mich durch die Ausstellung in keiner Weise verunglimpft“.

Neue verlängerte Öffnungszeiten: Täglich von 10 bis 20 Uhr

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