■ H.G. Hollein: Drei Ecken
Die Frau, mit der ich lebe, ist ein Leckermaul. Zumindest, was Käseecken angeht. Nur, daß ihr diesbezüglicher Geschmack seit frühester Jugend kompromißlos auf die Produktvarianten „Relli“ und „Tomato“ fixiert ist, die tragischerweise vor etlichen Jahren vom Markt genommen wurden. Das kann und will die Gefährtin leider nicht wahrhaben. Und so ballen sich – jedesmal, wenn ich mit leeren Händen aus dem Supermarkt komme – Wolken partnerschaftstrübenden Zorns über mir zusammen. Da mir am Erhalt der Gefährtin Gunst denn doch einiges gelegen ist, sinne ich seit langem über befriedende Alternativen nach. Im Prinzip reduziert sich das Problem auf eine Vermengung ausreichender Anteile von Milcheiweiß, Schmelzsalzen, Wasser und Molkenpulver. Man erhitze selbige und gebe im Falle „Relli“ eine beliebige Kräuter-Gemüse-Mischung dazu. Für „Tomato“ tut's eine Dose Pürree des gleichnamigen Gewächses. Dachte ich zumindest. Als ich der Gefährtin stolz meine ersten Versuche vorsetzte, blieb die Reaktion allerdings etwas hinter meinen Erwartungen zurück. Zugegeben, die beiden Klumpen – der eine gallig-grün, der andere Labskaus-rosa – waren nicht unbedingt angetan, Vertrauen zu erwecken. Als Käsekocher mußte ich mich mithin als gescheitert ansehen. So verfiel ich auf die Veredelung von Fertigprodukten und drückte ein Dutzend geschmacksneutraler „Schmelzli“-Ecken durch ein Sieb. Allein, was am Ende rauskam, war nicht eben üppig. Aber immerhin: so an die 50 Gramm Rohmasse sind ein hoffnungslos verklebtes Sieb allemal wert. Nach Zufügung obiger Zutaten muß ich nun nur noch einen Weg finden, die eher amorphe Angelegenheit in einer Umhüllung aus Alufolie dreidimensional zu stabilisieren und – Gott weiß wie – dem ganzen einen Aufreißfaden zu applizieren. Ich fürchte allerdings, die Gefährtin dankt mir auch das nicht.
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