: Global denken, national verbieten
Der Präsident des Bundeskartellamts lehnt mehr Bürokratie für den Schutz des Wettbewerbs ab. Bei der Fusionskontrolle setzt er auf Verträge, bei der Stromdurchleitung auf die Gerichte ■ Von Beate Willms
Es geht nicht immer nur um die Mega-Merger in der Automobilbranche, im Pharmabereich oder im Finanzsektor. In den vergangenenTagen haben auch die fünf großen norddeutschen Molkereien bekanntgegeben, daß sie dabei sind, sich zum größten deutschen Milchproduzenten zusammenzuschließen. Ähnlich ist es in der Fleischwirtschaft, wo die Hamburger Nordfleisch und die Münsteraner Westfleisch gemeinsam zum Branchenführer aufsteigen wollen. Und in der Informationstechnologie vergeht kein Tag, an dem nicht mindestens zwei Anbieter Fusionsabsichten bekunden. „Der Trend zu Fusionen war noch nie so groß wie jetzt“, sagte der Präsident des Bundeskartellamts, Dieter Wolf, als er gestern den aktuellen Tätigkeitsbericht seiner Behörde vorstellte.
Damit widerspricht die Wirklichkeit einer globalen Studie der Management-Beratungsunternehmen Gemini Consulting und Economist Intelligence Unit, die kürzlich für Verwirrung gesorgt hatte.
Die Autoren waren bei der Befragung von Top-Managern zu dem Schluß gekommen, daß Firmenzusammenschlüsse in den strategischen Überlegungen der Konzerne nur noch eine eher untergeordnete Rolle spielten.
Während das Bundeskartellamt in den Vorjahren regelmäßig mit rund 1.500 Fusionsvorhaben konfrontiert wurde, waren es laut Statistik 1997 plötzlich 1.751 und 1998 schon 1.888 – nur 12 davon untersagten die Wettbewerbshüter.
Ein immer größerer Anteil betrifft europäische oder gar transatlantische Zusammenschlüsse, insbesondere auch in der Mineralölindustrie, dem Verlagswesen, dem Handel und dem Telekommunikationssektor. „Es zeichnen sich Fusionen ab, die für nationale Kartellbehörden, aber auch für die europäische Fusionskontrolle zu groß sind“, erklärte Wolf. Es sei deshalb dringender denn je geboten, internationale Wettbewerbsregeln aufzustellen. Dazu müsse keinesfalls mit einem hohem personellen und finanziellen Aufwand ein schwerfälliges, bürokratisches Weltkartellamt eingerichtet werden. Er schlage vielmehr eine einfache Übereinkunft zur Fusionskontrolle vor. Zusammenschlüsse, die diese Übereinkunft verletzten, sollten in den Unterzeichnerstaaten zivilrechtlich nicht wirksam werden dürfen. Eine solche Rechtsunsicherheit könne sich kein Unternehmen leisten.
Auch im Streit mit den deutschen Stromkonzernen will Wolf auf eine zusätzliche Behörde verzichten und lieber die vorhandenen Möglichkeiten nutzen: Ein Teil der ehemaligen Monopolisten blockiert die Liberalisierung des Strommarktes, indem sie sich weigern, Konkurrenzstrom durch ihre Leitungen zu lassen. Verschiedene SPD- und Grünen-Politiker hatten deswegen bereits die Einrichtung einer Regulierungsbehörde analog zu der im Telekommunikationsbereich gefordert. Das lehnte Wolf jedoch ab: „Um die Konzerne zur Durchleitung zu zwingen, braucht man doch kein zusätzliches Amt“, sagte er. Das Kartellamt werde einfach den Rechtsweg gehen und nach jeder Entscheidung den sofortigen Vollzug anordnen, um jahrelange Verfahren zu vermeiden. „Die Gerichte ziehen dann die Konsequenzen, die der Gesetzgeber vermieden hat.“
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