■ die anderen: Die "Badische Zeitung" (Freiburg) sieht die Grünen in Gefahr, im Zwist um den Atomausstieg endgültig ihr Profil zu verlieren / Der "Münchner Merkur" meint dazu / Die "Nürnberger Nachrichten" kommentieren
Die „Badische Zeitung“ aus Freiburg sieht die Grünen in Gefahr, im Zwist um den Atomausstieg endgültig ihr Profil zu verlieren: Ein Gespenst geht um bei den Grünen. Es ist die Furcht, auch noch die letzten Konturen zu verlieren, die ihnen verblieben sind. Was wiederum schnell dazu führen könnte, daß die Grünen selbst zum Gespenst sich verflüchtigten. Zu einem jener ätherischen Wesen, die zwar die Phantasie von Literaten beflügeln mögen, nicht aber den Willen von Wählern, einer Spukerscheinung ihre Stimme zu geben. Eine Aussicht, die die Grünen angesichts von fünf Landtagswahlen, die ihnen im Herbst bevorstehen, aufschreckt.
Bislang haben die Grünen tapfer mitgetragen, was ihnen in der Koalition abgefordert oder abgepreßt wurde: Kosovo-Krieg, Sparpaket, Rentenreform, Benzinsteuer, Kredite für ukrainische Reaktoren, EU-Altautoverordnung. Daß sie jetzt auch noch beim letzten ihnen ein bißchen verbliebenen Thema Atomausstieg klaglos beidrehen und sich einem Kanzler unterwerfen, dem die Ökologie fast nichts, die Ökonomie aber alles bedeutet, das kann niemand von den Bündnisgrünen erwarten. Nicht einmal der Kanzler. Zumal der dabei ist, auch einen guten Teil der sozialdemokratischen Wählerschaft zu verprellen.
Der „Münchener Merkur“ meint dazu: Die Damenriege bemüht sich redlich um Schadensbegrenzung. Mit einem Hauch von Perestroika streuen sich Röstel/Radcke Asche auf die eigenen Häupter: Sie hätten bei der Behandlung und Bewertung der Rücktrittsforderungen und des zwischen Realos und jungen Linken entbrannten Richtungsstreits Fehler gemacht. Eine Selbsterkenntnis, die der verunsicherten Basis neues Vertrauen geben, vor allem aber das Ende der Nabelschau signalisieren soll. Um Zeit zu gewinnen, wollen die Grünen die Verhandlungen über einen Atomausstieg zwischen Regierung und Wirtschaft erst nach der Sommerpause fortsetzen, wenn sie mit der SPD eine gemeinsame Position gefunden haben. Doch damit ist das Wachstum des Spaltpilzes zwischen Fundis und den neuen jungen Realos kaum aufzuhalten.
Die „Nürnberger Nachrichten“ kommentieren: Die Grünen laufen Gefahr, sich bei diesem Thema selbst zu zerfleischen und dabei das eigentliche Ziel eines dauerhaften Ausstiegs aus dem Auge zu verlieren. Es wäre nahezu absurd, wegen der Frage der Laufzeiten die Zukunft der Koalition in Frage zu stellen. Sonst ist das rot-grüne Sommertheater tatsächlich schon programmiert.
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