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Kapitalismus und Klettverschluß    ■ Von Susanne Fischer

Das werden sie nun sein, die neuen Säulen der Gesellschaft: Die Kleinunternehmer. Von Gernegroß bis zum Armen Schwein ist alles dabei. Die sollen uns die Seele des Kapitalismus retten, dann wird alles gut. Das habe ich in der Zeitung gelesen. Kleinunternehmer sind die, die ihre Bleistifte und ihren Schreibtisch selbst mitbringen. Im Journalismus gibt es sie ja schon seit Ewigkeiten, und sie haben noch nie irgend etwas gerettet, außer dem Verleger sein Geld. Sie verließen schlecht bezahlte Anstellungen, falls sie überhaupt welche gefunden hatten, um als „Freie“ viel mehr Geld zu verdienen, von dem sie dann allerdings irgendwann ihre eigene Rente bezahlen müssen undsoweiter. Da aber alle Freien jung und dynamisch sind, tun sie, als würden sie den kleinen Haken nicht bemerken. Andere Kleinunternehmer wie Kurierfahrer und Pizzadienstler müssen sowieso zuviel arbeiten, um zu erkennen, daß etwas nicht stimmt.

Ob man als „Existenzgründer“, wie man da neuerdings genannt wird, scheitert oder nicht, liegt übrigens nicht am Arbeitseinsatz oder an der Qualität und Neuheit der Geschäftsidee, sondern hauptsächlich an den Charaktereigenschaften des Kleinnuternehmers. Das habe ich auch in der Zeitung gelesen. Um welche Persönlichkeitsmerkmale es sich dabei handelt, stand allerdings nicht dabei. Um Schwein sein vielleicht?

Bisher dachte ich, eine gute Idee genügt. (Chor der gescheiterten Existenzgründer: Hahaha). Ich wollte zum Beispiel Lätzchen mit Klettverschluß bis zur Serienreife entwickeln. Wer je versucht hat, eine Schleife im Nacken eines zap pelnden Kleinkinds zu binden, wenn er in einer Hand eine Breischüssel balanciert und in der anderen das Kleinkind, wird die unabweisbare Notwendigkeit dieser innovativen Ware einsehen. (Chor der gescheiterten Existenzgründer: Hahaha. Mach doch lieber einen Pizzaservice auf! Mit extra Käse.) Ich wurde aber leider abgelenkt, weil ich schon zehn Minuten später ein neues Berufsbild erfinden mußte: Den Porzellanberater. Er sorgt dafür, daß man nur scheußliche Teller im Haus hat, falls das Kleinkind mal wieder was ausprobieren muß.

Außerdem schafft er es, den allerscheußlichsten Teller, den das Kleinkind in Hinblick auf Klangentwicklung und Haltbarkeit getestet hat, garantiert zu ersetzen. Ablenkbarkeit ist keine unabdingbare unternehmerische Eigenschaft. Risikofreude dagegen schon. Wer sich, wie ich, mit einem Kleinkind in ein sehr teures Porzellangeschäft traut, verfügt über eine gute Portion davon. Im Handumdrehen beschäftigt die risikofreudige Person fünf Angestellte, und das ist eine ganze Menge, wenn man eben noch ein Habenichts war. Besonders, wenn man die Angestellten nicht selbst bezahlen muß. Die Angestellten erkundigen sich flüsternd untereinander nach den Handschellen für Kleinkinder im Porzellanladen. Schon habe ich wieder eine Marktlücke entdeckt! Mit Klettverschluß.

Augenblicklich konzipiere ich eine Existenzgründung als Ideenhaberin. Ein optimales Terrain für mich: Arbeitsmaterialien gleich null, minimale Kosten für Werbung bzw. Marketing oder wie das heißt. Der mich begleitende Kleinunternehmer läßt kurz darauf ein innovatives Scheppern ertönen. Wer gibt mir jetzt noch Kredit?

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