: Selbst der zweite Anzug paßt schon ganz gut
■ Kubas ersatzgeschwächtes Volleyballteam profitiert von den Erfahrungen aus der italienischen Liga und erreicht bei der World-League-Endrunde in Argentinien das Halbfinale gegen Brasilien
Berlin (taz) – Mit bescheidenen Zielen ist der kubanische Nationaltrainer Juan Diaz zur Volleyball-World-League nach Argentinien gereist. Nicht mehr als das Erreichen des Halbfinals hat er seinem ersatzgeschwächten Team verordnet. Das ist geschafft, heute spielen die Kubaner gegen Brasilien um den Einzug ins Endspiel. Leicht und locker spazierten sie durch die Qualifikation, doch von der Favoritenrolle beim wichtigsten Turnier des Jahres will Juan Diaz nach wie vor nichts wissen. „Die Unterschiede zwischen den ersten 12 Mannschaften der Welt sind nicht sonderlich groß, so daß oftmals die Tagesform entscheidet“, gibt sich der 50jährige Coach bedeckt.
Diaz hält wenig davon, seine Spieler unnötig unter Druck zu setzen, zumal die Ausgangsposition des Titelverteidigers wahrlich besser sein könnte. Leistungsträger wie Rodolfo Sanchez, bei der WM in Japan zum besten Annahmespieler gekürt, Alain Roca und Ramon Gato fehlen verletzungsbedingt, und so muß Diaz die Lükke mit weniger erfahrenen Spielern schließen. „Eine schwierige Ausgangsposition“, meint Leonel Marshall, der Vorsitzende des kubanischen Volleyballverbands, denn vor allem Gato, der 26jährige Angreifer, sei kaum zu ersetzen.
Daß der zweite Anzug jedoch ganz gut paßt, bewies der 22jährige Angel Denis, der den vier Jahre älteren Star Ramon Gato kaum vermissen läßt und im ersten Spiel in Mar del Plata eine exzellente Partie ablieferte. Mit 3:0 wurde der WM-Achte Spanien von der Platte gefegt, und Denis sowie Iván Benito Ruiz, der zweite Youngster im Team, waren die Garanten für den Sieg gegen die überraschend harmlosen Spanier. Vor allem Rafael Pascual, bei der WM im November in Japan noch zum besten Spieler gekürt, kam nicht wie gewohnt zur Entfaltung.
Dafür zeichnete ein weiterer Spieler aus der kubanischen Talentschmiede verantwortlich, der im letzten Jahr seinen internationalen Durchbruch feiern konnte: Pavel Pimienta. Der 2,04 Meter-Riese gehört mittlerweile zu den weltweit besten Blockspielern und ist neben Osvaldo und Ihosvany Hernández eine feste Größe in den Planungen von Diaz. Besonders profitiert hat der 23jährige Pimienta vom Deal zwischen den kubanischen und dem italienischen Verband. Seit gut einem Jahr spielen die kubanischen Volleyball-Cracks in der „A uno“, der stärksten Liga der Welt, wo sie wertvolle Erfahrungen sammeln können.
„Die Einsätze in der Liga bringen den jungen Spielern Spielpraxis auf hohem Niveau, und das hilft ihnen, sich weiterzuentwikkeln“, ist Diaz mit dem spektakulärem Deal, der dem kubanischen Verband zudem dringend benötigte US-Dollar bringt, zufrieden. Viele der jungen Spieler, so auch Yosenki Garcia auf den sein Trainer große Stücke hält, der aber noch nicht zum Stamm gehört, haben einen beachtlichen Sprung nach vorn gemacht, der viel zum dritten Platz bei der WM und zum Sieg der World League im letzten Jahr beigetragen hat.
Leicht wird die Titelverteidigung für die Kubaner, deren Planung ganz auf die Olympiade 2000 in Sydney abgestimmt ist, aber keinesfalls. Das bekam die junge Mannschaft gegen die russische Equipe zu spüren. In einem hochklassigen und hartumkämpften Spiel nahmen die Russen mit 3:2 Revanche für die Niederlage im World-League-Halbfinale des letzten Jahres. Am Mittwoch reichte Rußland im letzten Gruppenspiel gegen Spanien schon der Gewinn des zweiten Satzes zum Einzug ins Halbfinale. Danach spielten nur noch die Reservisten, die jedoch gut genug waren, die Partie am Ende mit 3:2 (15:12 im Tie-Break) für sich zu entscheiden. Einen ähnlichen Schongang konnte sich Rußlands Semifinalgegner Italien nicht erlauben. Vor 6.000 begeisterten Zuschauern gab sich Gastgeber Argentinien erst nach hartem Kampf mit mit 1:3 (22:25, 18:25, 25:18, 23:25) geschlagen. Knut Henkel
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