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Wohlmeinender Hinweis auf Wahrheit

betr.: „Der innere Kirk“, taz vom 13. 7. 99

Mangelnde Kritikfähigkeit, denn es gilt zu beweisen: kritisches Fantum ist besonders bei Star Trek ein Widerspruch in sich, wirft Jenni Zylka der Tagung in Kiel vor. Als Nichtteilnehmer kann ich deren Qualität nicht beurteilen, die negative Darstellung Star Treks erscheint allerdings vor allem als Selbstzweck.

Die Kritik an den Frauenrollen bei Classics und Next Generation mag, wenn auch weniger pauschal, noch begründet sein (im Gegensatz zu DS 9 und Voyager, die in diesem Zusammenhang unerwähnt bleiben). Dagegen können aber weder die angeblich ständigen „Happy Endings“ noch der unterstellte Rassismus einer „Multicoloured Male Federation Member-Superiorität“, trotz einiger entsprechender Folgen, als auch nur einigermaßen durchgehendes Charakteristikum angesehen werden. Beides traf schon für Classics nicht zu (zum Beispiel „Bele jagt Lokai“, „Spock unter Verdacht“) und noch weniger für die neueren Serien. Wurde in den beiden ersten Serien die Föderationszivilisation zum Teil als positive Zukunftsperspektive idealisiert, so zeigt sie sich doch v. a. bei DS 9 und Voyager als unter schwierigen Bedingungen brüchig, was kaum in das Negativbild einer naiv optimistischen und veränderungsunfähigen Serie paßt. Daß im Folgenden Siskos „schwarze Partnerin für seine langweilige Heterobeziehung“ als Beweis für die „moralinsaure Feigheit“ der Macher vorgeführt wird, zeigt nur, wie wenig die Vorstellung einer farbenblinden Gesellschaft heute durchgesetzt ist, wenn jede Beziehung der Seriencharaktere auf politisch korrekte Rassenrepräsentation untersucht wird. So erübrigt sich auch nicht das etwas peinliche Aufrechnen von Gegenbeispielen wie die weiß-asiatische Ehe von Miles und Keiko O'Brien, die schwarz-weiße von Worf und Jadzia Dax oder Jakes (Siskos Sohn) weiße Freundin in der 3. DS 9-Staffel. Babylon 5 schließlich, das als positives Gegenbild angeführt wird, konnte durch seine spätere Entstehungszeit sicher manche Fehler vermeiden, die bei Star Trek zu Anfang gemacht wurden, und hat mit einem episodenübergreifenden Handlungsstrang und seiner skeptischeren Zukunftsvision in der Tat revolutionierend auf die TV-Scifi gewirkt. Ob B 5 damit auch besser ist als das ebenfalls komplexe Star-Trek-Universum, in dem sich der Wandel der Zukunftserwartungen, vom Optimismus der Anfangszeit bis zu den skeptischen 90ern, organisch widerspiegelt, kann sicher verschieden beurteilt werden. Fest steht jedoch, daß die Anerkennung des einen nicht mit der Ablehnung des anderen, wie etwa seiner Reduzierung auf die kommerziellen Funktion als Werberahmenprogramm, einhergehen muß, wie etwa gemeinsame Conventions beweisen. Den wohlmeinenden Hinweis auf die Wahrheit irgendwo dort draußen also mit Dank an Jenni Zylka zurück. Ephraim Döhler, Altenburg

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