Haltet euch bedeckt!

■ Literarische HIV-Prävention, dem Pariser Vorbild folgend:

Kondome sind Helden. Romanhelden, um genau zu sein. Der Pariser (!) Verlag Librio hat nämlich kürzlich ein Buch herausgebracht, in dem acht Schriftsteller Kondome als Protagonisten von Kurzgeschichten präsentieren. Mit dem Sammelband „Sortons couverts!“ (Gehen wir bedeckt aus!) will der Verleger, so zitiert ihn dpa, „das Präservativ aus dem ausschließlich medizinischen und moralischen Zusammenhang herauslösen und zu einem Gegenstand des Traums und der Empfindsamkeit machen“.

Damit die feuchten Träume nicht mehr in die Hose gehen? Nein, damit die Franzosen sich besser vor HIV schützen. Mehr als 5.000 infizieren sich jährlich. Wenn nun alle Geschlechtsverkehrsteilnehmer Kondome toll fänden, wären es sicherlich weniger. Und klar, wo Plakate und Broschüren versagen, müssen Literaten ran. Folglich gellt endlich unisono ein lustvoller Schrei durch die französische Bettenlandschaft: „Laß uns einen draufmachen!“

So lautet jedenfalls der Titel des deutschen Pendants, das nun schleunigst folgen sollte. Grass, Sie sind doch gerade wieder frei, oder? Walser, tun Sie mal was Sinnvolles! Muß man denn immer alles selber machen? Na gut.

Zum Beispiel sowas: Billy fristet ein trübes Dasein im ec-Kartenfach eines Nylonportemonnaies mit Klettverschluß. Wahrlich keine angemessene Behausung, findet Billy ganz ohne Zeigefinger, denn die beständige Überhitzung und Reibung durch die allabendliche Unterbringung in der Gesäßtasche beschert ihm arge Hautprobleme. Zuspruch findet Billy lediglich in der Freundschaft mit dem benachbarten Schülerausweis. Denn beide haben ein ähnliches Schicksal: Sie sind laut Aufdruck längst nicht mehr zur Verwendung zugelassen. „Abgelaufen!“ heult Billy auf dem anrührenden Höhepunkt der Geschichte. Plötzlich spürt er einen harten Aufprall: Die Hose ist mit Billy in der Gesäßtasche auf einem abgenutzten Flokati-Teppich gelandet. Kurz darauf hört er in seinem Verlies das Stöhnen seines jungen Besitzers und weiß: Ich werde hier nicht mehr gebraucht. Ein trauriges Schicksal, das zum Nachdenken anregt.

Ganz anders als Billy ergeht es dem Spaß-Präser Puff Daddy. Er findet als Geschenk Verwendung und ist auf Partys immer wieder der absolute Star. Denn wenn man ihm eine Knopfbatterie ins Reservoir einführt, kann der überdimensionale schwarze Scherzartikel tanzen und rappen! Sein Hit: eine topaktuelle Version von Bill Whithers' „Use me“. Benutzen im herkömmlichen Sinne darf man Puff Daddy freilich nicht. Zu seinem Glück, findet Puff Daddy, denn so ist er wiederverwendbar.

An dieser Stelle darf ein dezidierter Warnhinweis nicht fehlen. Nehmen wir der Einfachheit halber jenen, den die Deutsche Aids-Hilfe auf der Startseite ihres Internet-Angebots ausspricht: „Aufklärung über Safer Sex benutzt häufig eine sehr direkte Sprache. Vielen Menschen erscheint dies anstößig und obszön. Auf manchen Seiten müssen Sie selbst entscheiden, ob Sie weiterlesen wollen.“ Man könnte dem entgegenhalten: Diese Entscheidung muß eigentlich jeder Leser dieser Welt stets selber fällen. Aber wäre das nicht kleinlich?

Nö. Sagen wir also mal lieber so: Achtung, jetzt wird's deftig! Die letzte Geschichte der Anthologie handelt nämlich von Heroe, dem extra starken Präser vom Dienst. Heroe wird von den normalen Kondomen im Drogerieregal immer ziemlich unwohlwollend beäugt, denn er ist für Geschichten gedacht, die Sie sich lieber nicht ausmalen.

Aber Heroe ist wirklich extra stark und demonstriert Selbstbewußtsein, bis er eines Tages von einem jungen Prinzen erworben wird. Das Ende der Geschichte sagt eigentlich alles: „Ich bin voll im Arsch!“ ruft Heroe begeistert.

Holger Wicht