Weltmeisterschaft verkorkst

■ Die Bremer Fahrradkuriere vergeigten den dritten Meistertitel bei der WM in Zürich / Stürze, Pech und andere „Katastrophen“ vermasselten die Endrunde gründlich

Wunden lecken, Reifen flicken, Katerstimmung – so fühlen sich die fünf Bremer Radkuriere am Tag nach dem verpatzten Weltmeister-Titel. Eine „Katastrophe“ sei die Weltmeisterschaft am Wochenende gewesen, erzählt Marcel Thielbar: Stürze, Strafminuten, Fehleinchecken. Die zweifachen Weltmeister hatten Pech auf der ganzen Linie. Einzig Yvonne Kraft schaffte in Zürich den dritten Platz in der Einzelwertung der Frauen, der Rest des Bremer Teams ist nach dem Halbfinale rausgeflogen.

Eigene Schuld, sagt Michael Brinkmann am Tag danach: Zwar hatte man ein gutes training on the job. Aber vom Flieger raus auf den Parcours – „hat nicht funktioniert“. Sonst ist das Team immer zwei Wochen zur Weltmeisterschaft hingeradelt. Das war „mentale Vorbereitung“, ergänzt Thielbar. Und die fehlte jetzt. Checkpoints und Parcours saßen noch nicht richtig. Statt sich Zeit zu nehmen, die Route abzustimmen, „sind wir einfach losgefahren“. Unnötige Umwege zwischen den Checkpoints und Zeitverlust waren die Folge.

Manchmal hatten die Bremer aber einfach nur Pech. Für den nachtblinden Michael Brinkmann ging es zum Beispiel viel zu spät los: „Wir hatten uns so angemeldet, daß wir noch im Hellen starten konnten.“ Und was war: Erst um 22 Uhr konnte Brinkmann losspurten, mußte „unter Laternen halten“ um seine Karte lesen zu können. Zeitlich ein Riesen-Debakel, trotzdem schaffte Brinkmann die Vorrunde.

Aber der Zürcher Parcours hatte es ganz schön in sich: Enge Schotterpisten, auf denen sich die Radler reihenweise langmachten. Stürze, platte Reifen keine Seltenheit. Michael Brinkmann hat eine verschrammte Schulter davongetragen. Bis zu 500 Radlern kreuzten gleichzeitig im Zürcher Parcours. Und das bei Höchstgeschwindigkeiten von 60 Stundenkilometern.

An einem Checkpoint lagen zwei Schwellen hintereinander. Bei Heizertempo machte es einfach „baff“, erzählt Brinkmann. So mancher konnte sich danach von seinem Rad verabschieden. Von den über 800 Startnummern schafften es 125 ins Halbfinale.

Brinkmanns „Aussteiger“ für die Endrunde aber war das vergessene „Manifest“. Dieser Zettel enthält die abzuklappernden Checkpoints. Erledigte Posten werden darauf gleich abgestempelt. Und just dieses Dokument fehlte Brinkmann im Rucksack. „Liegengelassen“, stöhnt er. Beim letzten Checkpoint. „Aber wo war das noch mal, wo komme ich gerade her?“ Brinkmann wußte nichts mehr. Glatter Filmriß. Das Manifest lag in der Tiefgarage, und Brinkmann mußte zurück – zu Fuß. Mit dem Rad wäre er im Einbahnstraßenparcours disqualifiziert worden. „Aber Laufen ist für Fahrradfahrer tödlich.“ Das Finale in den Sternen.

Übrig blieben 25 RadlerInnen. Ein „sehr elitäres“ Feld: Vier Manifeste mußten nacheinander ausgefahren werden – bei 30 Grad am Sonntag Nachmittag ein gut dreistündiger Kraftakt. „Das ist wie mit dem Hammer auf dem Kopf“, sagt Brinkmann. Yvonne Kraft war als einzige vom Bremer Team dabei. War sogar Zeitschnellste unter den Radlerinnen. Erst im Ziel wurde sie abgestraft. Sie hatte einen Checkpoint übersehen. Das machte eine Strafminute – sie wurde Dritte.

„Keep the spirit“, heißt es jetzt für die Bremer Ex-Champions. Beim nächsten mal in Boston wird es besser. Dabei wäre ein dritter Titel in Folge für die Mannschaft so schön gewesen: Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hatte Thielbar dann einen Empfang im Rathaus versprochen. Jetzt ging der Titel an den Erzkonkurrenten nach Dänemark. pipe