Seitenaufprallschutz für ältere Herren

■ Horst Bosetzky pflegt die Langeweile: Er hat nichts zu erzählen, tut das aber in voller Breite. Für seine Kolumnen, die wie schlechtes Kokain gestreckt sind, erhält er den „Diepgen des Tages“

Horst Bosetzky erkennt man an den hausschlappengroßen Koteletten, die sein Gesicht umrahmen. Den Seitenaufprallschutz für ältere Herren, die leicht mal ins Schlingern geraten, kann Bosetzky gut gebrauchen; zumindest kopfmäßig taumelt der Mann nach Kräften. Nachlesen kann man das im Tagesspiegel, der Bosetzky engagiert hat, damit die mattigkeitsgesättigten Kolumnen des Mitherausgebers Hellmuth Karasek nicht so alleine sind. Wie Karasek pflegt auch Bosetzky die altherrenhafte Langeweile: Er hat nichts Richtiges zu erzählen, tut das aber in voller Breite, und ständig wird dem Leser zugezwinkert, wie wahnsinnig originell und komisch das alles sei. Ist es aber nicht.

Gegen die von ihm in witziger Absicht erfundene „Angst, während der Fahrt in der U- oder S-Bahn einen Bandscheibenvorfall zu erleiden“, empfiehlt Bosetzky, „bei Ihrem Arzt oder Ihrer örtlichen VHS eine spezielle Rückenschule zu besuchen“. Dann quält er sein Publikum in die Schlusspointe: „Auch hilft es, sich an den Haltestangen hochzuziehen und hängend wie ein Affe durch Berlin zu fahren.“ Solche Sätze mögen Bosetzky helfen, seinen Text auf Masse zu bringen. Was aber hilft gegen Bosetzky?

In seiner Kolumne „Zum Ersten“ macht er sich lt. Tagesspiegel „Gedanken über Gott, die Welt und den Sport“. Vor allem macht Bosetzky die Mittelstrecke zum Marathon: Die 160 Zeilen hören schier nicht auf, die gegen null tendierende Substanz wird gestreckt wie schlechtes Kokain. „Schließlich begleiten mich Helmut, Petra und Moritz in die Cantianstraße, und ich umarme sie vor unserem Treffpunkt, der Max-Schmeling-Halle.“ Wer will wissen, wen Horst Bosetzky umarmt?

Bosetzky, so viel immerhin erfährt man, hat ein American-Football-Spiel gesehen: Berlin Thunder gegen Frankfurt Galaxy, und weil Horst Bosetzky Englisch kann, übersetzt er auch: „(thunder = Donner)“. Galaxy = Galaxie übersetzt er nicht, dafür aber „loser = Versager und Verlierer“ und „Touchdown“ mit „Niederleger“. Das ist aber schon ironisch und ein Bosetzkywitz, und von denen hat er reichlich: „Wenn schon Thunder, dann doch lieber Frank Zander“, winkt schon die Überschrift mit einem großen Witzelement. Bosetzkys Kampf gegen die Großmut seiner Leser geht weiter: „Lieber Tadsch Mahal als Touchdown.“ Und weil ein schlechter Witz durch Wiederholung besser wird, bringt er den „Thunder/Zander“-Kalauer gleich noch einmal: „Ich bin mehr für gedünsteten Zander.“ Auf Bosetzkys Grabstein wird einmal stehen: Wir haben unsere Scherze nur von Hellmuth Karasek geliehen.

Neu ist Bosetzkys spezifische Furchtbarkeit allerdings nicht: Seit Jahrzehnten schreibt der Soziologe unter dem Kürzel „-ky“ Kriminalromane, die es beim Arzt auf Rezept gibt, gegen Einschlafstörungen. Der Tagesspiegel formuliert das etwas anders: „Horst Bosetzky ist unter dem Kürzel -ky der erfolgreichste deutsche Krimiautor“ – zu dem ganz prächtig Bosetzkys diepgentauglicher Kolumnenschlusssatz passt: „Berlin braucht Volksfeste jeder Art.“

Wer weiß schon oder will nur wissen, was „Berlin braucht“? Bekannt dagegen ist, was wirklich niemand brauchen kann: eine Kolumne, die nach altem Mann unterm Arm riecht. Molly Bluhm