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Im Ton vergriffen

betr.: „Vergebens gearbeitet“, taz vom 3. 8. 99

[...] Euer Gastkommentator Julius H. Schoeps mag ein ehrenwerter Mann sein, dem das gedeihliche Zusammenleben zwischen Juden und Nichtjuden am Herzen liegt, mit seiner Attacke gegen Ignatz Bubis hat er sich allerdings dermaßen im Ton vergriffen, dass man sich des (schlimmen) Eindrucks nicht erwehren kann, hier spricht und schreibt ein jüdischer Zeitgenösse, der die Anpassung an deutsche Gegebenheiten so verinnerlicht hat, dass er die fast schon pathologische Weigerung der meisten Deutschen, sich mit der Vergangenheit wirklich und wahrhaftig auseinanderzusetzen, mittlerweile als ganz normal empfindet.

Da ist von „Vorkommnissen“ die Rede, und gemeint sind antisemitische Gewaltexzesse übelster Art. Die Behauptung, die deutsche Gesellschaft sei nach wie vor bedroht vom Virus der Intoleranz, der Borniertheit und der Unbelehrbarkeit, bedarf nach Ansicht des Kommentators erst einer genauen Prüfung. Was gibt's denn da noch zu prüfen nach Rostock, Mölln, Hoyerswerda, Solingen usw. Es gibt nicht nur einen Bodensatz rechtsradikaler und antisemitischer Gesinnung, wie Umfragen immer wieder belegen. Es gibt bis weit in den angeblich aufgeklärten deutschen Mittelstand hinein massive Vorurteilen gegenüber der jüdischen Minderheit in diesem Land, Vorurteile, die sich bei entsprechenden demoskopischen Erhebungen beispielsweise darin dokumentieren, dass viele Deutsche keine Juden als Nachbarn haben möchte. [...] Wenn der Kommentator dann noch „die hitzige Debatte um das Holocaust-Denkmal“ als Beleg für das Interesse der Deutschen an ihrer Vergangenheit und der deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte anführt, spätestens an dieser Stelle seines Meinungsbeitrags wird's fast realsatirisch. Traurige Tatsache ist doch, dass eben jene Mahnmal-Debatte der großen Mehrheit aller Deutschen total am Arsch vorbeigeht – weil diese Mehrheit vom Genozid am jüdischen Volk (und am Volk der Sinti und Roma) nichts mehr hören und sehen will. Das ist die Normalität im deutsch-jüdischen Verhältnis. [...] Uwe Tünnermann, Lemgo

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