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■ Cellulitis als Schönheitsideal

„Der Mann ist kein Hund, er mag keine Knochen“, besagt ein russisches Sprichwort. Neben den klassischen Vamps des russischen Kinos der vierzigr Jahre, Ljubow Orlowa, Zoja Fjodorowa und Alla Larionowa wirken die Dietrich und die Garbo wie Spatzen. Als russische Variante der Venus gelten die üppigen Kaufmannsfrauen, die zum Jahrhundertbeginn der Maler Boris Kustodijew portraitierte – schmachtend, mit cellulitisbefallenen Oberarmen. Und auch das männliche Schönheitsideal integriert in Russland problemlos Rettungsringe um die Taille.

Das erste Männerjournal des Landes, die russische Alternative zum Playboy, nennt sich XXL. Aber die Gespielinnen der durchweg bulligen Neuen Russen sind in der Regel bleistiftdünn. „Eine der Moden aus dem Westen“, von dem unser Land zur Zeit leider nicht das beste übernimmt“, meint der Permer Ballettmeister Jewgeni Panfilow.

Die Choreographin Irina Pauls, Direktorin des Tanz Theaters im Oldenburgischen Staatstheater, ist eine der engagierten Vertreterinnen des Modern Dance in Deutschland. In der ersten Juli-Hälfte hat sie dank eines Austauschprogrammes des Goethe-Institutes mit Panfilows „Mageren“-Truppe in Perm trainiert und dabei ausgiebig Körpersprachen studiert. „Schlanke und dabei hübsche Russinnen verlieren sich auffällig oft in Posen“, hat sie beobachtet; „Manche davon spazieren dabei auch noch mit einem stets leicht gekränkten Gesicht durch die Welt, vielleicht aus Unsicherheit.“ Mehr Selbstsicherheit hat Frau Pauls bei den Üppigeren entdeckt: „Eigentlich sind die Russen und Russinnen nicht dicker als die Leute im Westen, aber sie sind es besseren Gewissens. Und wenn hier Dicke in den besten Jahren unter westlichem Einfluss jetzt viel von der Notwendigkeit sprechen, abnehmen zu müssen, so ist das leeres Gerede.“

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