■ Press-Schlag: Vollspann, schnauzerlos Schalke mit Bumms, aber ohne Iraner
Warum, zum Teufel, tun wir uns das wieder an? Fffft, ist der Sommer vorbei und der Samstagabend eine Mattscheibe. Kürzer, ballärmer, hanschiger denn je. Immerhin labert um sechs jetzt Alf statt Steffen Simon. Sonst: Im Kasten kaum Neues.
Da „fliegen 100 Kilo Lebendgewicht durch die Luft“ (besagter Simon über Torsteher Reck), da fiepst Schiri Merk gläsersprengend, da schwillt Kohlers Stirnader zu Magnettafeldicke. Gute Unterhaltung, all das, keine Frage. Wer wettet mit: Wie viele Rote Karten sieht BVB-Keeper Lehmann, der kalt lächelnd bösartiger zutritt als Wüterich Kahn?
Was sich fußballerisch so tut, nun, das hängt davon ab. In Schalke zum Beispiel stellen sie jetzt so viele Banden auf, dass einen das Spielfeld richtiggehend irritiert. Was nicht weiter schlimm ist: 1:1 spielt Schalke immer. In München wird listig rotiert, das haben sie uns beigebracht, aber gehört dazu auch, im eigenen Strafraum pomadig um den Ball zu tänzeln? Präger hat das prompt bestraft. Übrigens: links wie rechts, der Mann. Muss man ihn jetzt eigentlich lieben, nur weil er seinen Schuh geküsst hat? Vielleicht gehörte das aber auch schon zum Werbeblock.
Wer als Taktikfuchs Stuttgart sieht, lauert darauf, wie Rangnicks gegnerorientierte Balldeckung, oder wie das heißt, zustellungstechnisch funktioniert. 0:0: Hat funktioniert. Die Frage ist, muss sein: Wann gewinnt Rangnick „3:1, 4:1 oder 4:2“, was er zum Erstaunen aller schon gegen die Kurzpass-Könige aus Bremen für möglich hielt? Zweites VfB-Event: Sean Dundee als solcher.
Seine Gefährten im Geiste sind alle auch wieder da, was haben wir sie vermisst. Basler lümmelt sich auf der Bank, Möller wird gaaanz langsam aufgebaut, Wolf, äh, grinst, oder was das sein soll, und Matthäus ... Aber lassen wir Matthäus. Alt ist auch, dass Schalke hadert. Die taz fühlt mit euch, liebe Knappen, nur Mut, Platz 15 ist drin. Denn wir sahen was zum Zungeschnalzen: den Volley-Bumms von Asamoah. Vollspann getroffen, astreine Haltung. Wahrscheinlich ist der Ball noch immer unterwegs, irgendwo zwischen Herne, Platz eins bis sechs und Unterhaching.
Das alles geht, jetzt nicht erschrecken, noch 33 Spieltage so weiter. Neu ist, dass die großen drei spielen, als führten sie einen Bob im Wappen. Sonst noch was, das die Welt erschüttert? Ja. Was Schreckliches. Die Schnauzer sind weg. Michael Skibbe: nacktlippig. Olaf Marschall: sturmschnittig. Kein Eilts, nirgends. Harry Koch, wer hat dich gestutzt? Der Schnurrbart, einst stolzes Symbol tapferer deutscher Biederkeit (Toni Schumi, Schuster, Breitner) – die Kicker haben leider, endlich, gemerkt, wie skibbig er aussieht. Bedürfe es noch eines Beweises, dass das viele Geld den Charakter verdirbt, das ist er.
Zitternd blättern wir im Kicker-Sonderheft. Sollten da wirklich nur diese zersausten Staubsauger-Bärte à la Jeremies ...? Nein. Aufatmen. Zwei noch. Zwei. Daei aus Berlin und Bagheri aus Bielefeld. Halten Sie das bitte fest: Zwei Iraner trotzen in der 37. Bundesliga-Spielzeit der Kultschnurr-Revolution. Deshalb, nur deshalb, tun wir uns das noch an. Rüdiger Barth
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