piwik no script img

Spionagevorwürfe gegen Hochtief

Bei dem Essener Konzern, der den Zuschlag für den Berliner Großflughafen Schönefeld erhalten hatte, wurden Unterlagen eines Mitbewerbers gefunden    ■ Von Richard Rother

Nach den Spionagevorwürfen gegen den Essener Hochtief-Konzern, der den Zuschlag für den Bau und Betrieb des neuen Berliner Großflughafens Berlin-Schönefeld erhalten hatte, ist nicht mehr auszuschließen, dass die Flughafenprivatisierung neu ausgeschrieben werden muss – ohne den Hochtief-Konzern. Bundesverkehrsminister Franz Müntefering (SPD) sagte, eine Neuausschreibung sei lediglich „eine Interpretationsmöglichkeit“.

Die Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF) könne nicht mehr mit Hochtief zusammenarbeiten, da der Essener Konzern ein „belastetes Unternehmen“ sei, sagte gestern Uwe Scharf, Mitglied im BBF-Aufsichtsrat und stellvertretender Berliner ÖTV-Vorsitzender (siehe unten). Ähnlich äußerte sich Grischa Hochsieder, Luftfahrtsekretär bei der ÖTV: „Alle juristisch belasteten Unternehmen müssen von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.“

Dazu gehöre auch Hochtief. „Außerdem muss das gesamte Verfahren neu aufgerollt werden, da man nicht nur mit einem Konsortium verhandeln kann“, so Hochsieder. Sollte Hochtief von dem Verfahren ausgeschlossen werden, bliebe im Moment nur das Konsortium um die Bonner IVG übrig.

Das sieht der Sprecher der Berliner Senatskanzlei, Eduard Heußen, nicht so. Bisher gebe es „lediglich Zeitungsberichte“ über Unregelmäßigkeiten bei Hochtief, so Heußen auf Anfrage. Er wollte nicht darüber spekulieren, was geschehen werde, sollten sich die Vorwürfe gegen Hochtief bestätigen. Noch gebe es zwei Konsortien, mit denen verhandelt werde.

Das Oberlandesgericht Brandenburg hatte Anfang August das Vergabeverfahren für rechtswidrig erklärt und die Wiederaufnahme der Schlussverhandlungen mit beiden Konsortien verlangt. Das Gericht rügte außerdem die Doppelmandate der Berliner Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), die damit gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen habe: Sie saß sowohl im Aufsichtsrat der BBF als auch in dem der Bankgesellschaft Berlin, die an dem Hochtief-Konsortium beteiligt ist. Mittlerweile haben Fugmann-Heesing und Bausenator Jürgen Klemann (CDU) ihre Mandate in der BBF niedergelegt – als Konsequenz aus dem Gerichtsurteil.

Die IVG-Holding, die bei der Vergabe um das Sechs-Milliarden-Mark-Projekt unterlegen war, bestätigte gestern Berichte, wonach eigene Unterlagen beim Konkurrenten Hochtief gefunden worden seien. Die Berliner Staatsanwaltschaft, die am 1. Juli Büros an sechzehn Orten, darunter auch beim Essener Baukonzern, durchsuchen ließ, wollte sich nicht dazu äußern, welche Art von Unterlagen beschlagnahmt worden seien, die Auswertung werde noch Monate beanspruchen. Die Durchsuchung stand im Zusammenhang mit einem Betrugsverfahren gegen den Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft WIB, Herbert Märtin.

Die WIB, die inzwischen aus dem Privatisierungsverfahren ausgeschieden ist, arbeitete für die BBF. Zugleich beschäftigte sie Mitarbeiter der Frankfurt Flughafen/Main AG (FAG), die weiterhin zum Hochtief-Bieterkonsortium gehört.

Unklar ist weiterhin, wie die IVG-Unterlagen in die Hochtief-Akten gekommen sind. Nach Informationen der Welt soll Herbert Märtin die Papiere in die Essener Büros geschafft haben. Ob Hochtief diese Informationen genutzt hat, ist Gegenstand der Ermittlungen.

Eins scheint allerdings klar zu sein: Die IVG hatte das bessere technische Entwicklungskonzept für den Flughafen, sie bot aber nur 350 Millionen Mark für die BBF-Privatisierung. Hochtief machte schließlich – mit einem weniger überzeugenden Konzept – 659 Millionen Mark locker. Und erhielt den Zuschlag.

„Alle juristisch belasteten Unternehmen müssen von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen