: Ein völlig falsches Zeichen
betr.: „Wirtschaft, küss mich, ich bin der strategische Frühling“ u. a., taz vom 13. 8. 99
[...] Wenn 21 Grüne eine Umweltpolitik mit mehr Sinn für die Realität, das heißt Konsens statt Konflikt, fordern, verkennen sie die zunehmende Verschlechterung unserer Umweltsituation. [...] Unsere Gesellschaft ist nicht nur umweltpolitisch schwer krank. Das Sterben der Wälder, die Verschmutzung und Vergiftung der Biosphäre, von Luft, Erde und Wasser durch einen Prozess exzessiver Industrialisierung und rücksichtsloser Kommerzialisierung geht unvermindert weiter. Die Liberalisierung aller Märkte reduziert staatliche Eingriffsmöglichkeiten auf ein Minimum. Hier Entwarnung zu signalisieren, ist ein völlig falsches Zeichen. Kohl, der wohl eher als Mann der Wirtschaft bezeichnet werden kann, setzte eher auf freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie, als sie staatlichem Zwang auszusetzen. Aber selbst er hat feststellen müssen, dass die besten freiwilligen Absichtserklärungen besonders unter verschärften Wettbewerbsbedingungen leicht Makulatur werden können.
Eingedenk dieser und jeder anderen praktisch-politischen Lebenserfahrung ist das neue grüne Ziel, Konflikt durch Konsens zu ersetzen, purer Unfug. Zwar ist es unbedingt richtig, gemäß den von David gegen Goliath oft propagierten, „großen Koalitionen der Vernunft“, immer erst und ohne große Vorbehalte informelle und formelle Gesprächs- und Verhandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, denn auch die Wirtschafts-Goliaths sind, wie ihre Frauen und Kinder, auf saubere Luft und sauberes Wasser und fruchtbare Böden angewiesen und wissen inzwischen, dass man Geld nicht essen kann. Aber die Konfliktkeule für den leider zu oft erlebten Fall der Unvernunft von vornherein in die Ecke zu stellen und sich einem möglicherweise nicht vorhandenen Goodwill einfach so auszuliefern, das kann ja wohl nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Als die Grünen noch nicht in der Regierung waren, gab es noch Hoffnung auf eine bessere Regierung. Inzwischen kann man nur noch hoffen, dass die Schwarzen grün werden, nachdem die Grünen schwarz geworden sind. Bernhard Fricke, Vorsitzender von David
gegen Goliath e.V., Stadtrat der Landeshauptstadt München
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