Der Augendirigent

■ Gefährlich: Frans Brüggen mit Orchester beim Musikfest

„Ich will ,gefährlich' bleiben mit Klang, Rhythmus, musikalischen Konstruktionen“, hatte der Dirigent Frans Brüggen einmal gesagt. Wie er das macht, führte er eindrucksvoll im bejubelten Konzert in der Glocke mit seinem „Orchester des 18. Jahrhunderts“ vor: mit den Augen. Weniger als früher bewegt er seine Arme, fast unsichtbar schlägt er eng am Körper mit der rechten Hand unerbittlich den Takt, wuselt mit der linken schwer Erkennbares und gibt inhaltliche Impulse fast ausschließlich mit den Augen. Frans Brüggen ist einmal mehr die erfolgreiche Ausnahme von der Regel und zeigt, dass gutes Dirigieren nicht unbedingt mit Handwerk zu tun haben muss.

Denn es kommt eine Menge dabei heraus. An diesem Abend mit dem nicht eben einfallsreichen Programm mit Beethovens sechster siebter Sinfonie. Die sechste, diese „unbeethovensche“ eigenartige Naturidylle, in die das Gewitter als politische Metapher – so jedenfalls suggeriert die Wucht, mit der Brüggen diesen Satz formt – einbricht, zelebrierte er so lieb, so idyllisch und nach innen, dass einiges zu zart, fast wie Kammermusik klang. Den begeisternden Schwung entfaltete das Orchester in der Wiedergabe der siebten, jener wilden „Apotheose des Tanzes“ (Richard Wagner). Die unverbrauchte Einzigartigkeit dieser Interpretation lag an dem Streicher-Bläser-Verhältnis: Sprechende Motivfetzen der brillanten Bläser ragten aus dem Gesamtklang heraus, den Brüggen überhaupt zu meiden suchte. Rauh klang das Ganze, vieles heterogen, erregend in jedem Augenblick. Der Aspekt, der überdeutlich wurde: Die Verselbständigung des Rhythmus und der Übergang ins Geräusch. Auch konnte man in den vorwärtstreibenden Ausbrüchen im Finale mehr über die Vergeblichkeit als den Triumph erfahren. usl