: Das Kreuz mit der Dose
■ Nicht nur sauber, sondern blütenrein ist die Weste von Umweltsenator Vahrenholt: Denn schuld sind immer die anderen Von Heike Haarhoff
Der Mann ist der weiße Riese des regierenden Umweltgewissens. So wie Umweltsenator Fritz Vahrenholt schafft es kaum jemand, sich ohne rot zu werden die eigene SPD-Filz-Weste rein zu schwindeln und gleichzeitig ungeniert die schmutzige Wäsche anderer zu waschen. Hätte die Umweltbehörde Sendezeit für ihre PR-Verlautbarungen im Werbefernsehen – der properen Clementine stünde harte Konkurrenz ins Haus.
Denn flotte Sprüche, die ihn selbst – auf Kosten anderer – als Unschuld des Nordens in Szene setzen, hat Saubermann Vahrenholt immer parat: Wenn es darum geht, lasche Sommersmog-Verordnungen oder das Duale System zu verteufeln, schimpft unser Fritzkehlchen wie ein Rohrspatz auf die bösen, bösen Bundesgenossen, die ihm gegen seinen Willen den Ozon-GAU beschert und den Plastikberg aufgetürmt haben. Ohnmächtig vor Wut blickt er auf den „sterbenden Hamburger Wald“ – schuld ist niemals seine Umweltpolitik, sondern feindliche Winde, die schädliche Gülle aus den Nachbarstaaten herübergeweht haben.
Auch auf der 45. Umweltministerkonferenz in Magdeburg am Wochenende glänzte Vahrenholt mit uralten, aus den USA abgekupferten Ideen zu Pfand auf Getränkedosen. Wenn jedes Blechtöpfchen 50 Pfennige wert sei, weiß der Dosen-Freund, wären Hamburgs Grünanlagen im Nu blechlawinenfrei. Eine Forderung allerdings, die sich an die Bundesregierung richtet, und die umzusetzen er nie in die Verlegenheit kommen wird.
In dieser bequemen Haltung: „ich würde ja gern, aber mir sind leider die Hände gebunden“, scheint sich der Senator pudelwohl zu fühlen. Selbst dort, wo er eingreifen könnte, verpaßt er gern die Gelegenheit: So bei seinem jüngsten Entwurf für ein „Andienungsgesetz von Siedlungsabfällen“: Danach muß Müll, der in Hamburg produziert wird, künftig auch dort entsorgt werden. Zweck ist, private Müllentsorger – sie dürfen mit Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ab Oktober 1996 den Gewerbemüll in Konkurrenz zur Stadtreinigung einsammeln – an der Abwanderung ins Umland zu hindern. Dort nämlich könnten sie den Müll in preisgünstigeren, aber umweltschädlicheren Industrieanlagen einfach verfeuern, anstatt ihn bei der Vahrenholtschen Müllverbrennung abzuliefern. „Laut Kreislaufwirtschaftsgesetz können die Länder nur Auflagen zur Müllentsorgung, nicht aber zur -verwertung machen. Deshalb ist zu befürchten, daß die privaten Firmen hausmüllähnliche Abfälle verstärkt in Sortieranlagen trennen und unter dem Deckmäntelchen der ,energetischen Verwertung' in Zementfabriken verfeuern“, durchschaut Knut Sander vom Hamburger Institut für Ökologie und Politik (Ökopol) schon jetzt die Schwächen des Gesetzes.
Doch Vahrenholt könnte laut Kreislaufwirtschaftsgesetz zum Beispiel festschreiben, daß Reststoffe möglichst hochwertig zu verwerten sind, und die Verfeuerung in Dreckschleudern davon ausnehmen. Das könnte durch einen Bewertungs-Kriterienkatalog geregelt werden, wie er derzeit in Niedersachsen erarbeitet wird. Doch in Hamburg begnügt man sich, vollmundig zu verkünden, daß man ein Gesetz geschaffen habe. Aus gutem Grund: Hamburg hätte gar keine Verwertungsanlagen anzubieten, sondern nur Beseitigungsanlagen in Form der MVAs. Und die rentieren sich nur bei Totalauslastung.
Diese Strategie könnte unserem Fritz zum Verhängnis werden: Wenn der Sozi-Milieuschützer eines Tages als Einweg-Umweltsenator endet – weil niemand seine Abfall„politik“ recyclen oder zurücknehmen will. Und sei das Pfand noch so hoch.
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