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Hamburgs Elend mit dem ÖPNV

■ Der einst vorbildliche HVV wird 30 und kommt zum Stillstand Von Florian Marten

Fast drei Milliarden Mark pumpt die bayerische Metropole München bis 1998 in ihren Öffentlichen Personennahverkehr: Während in Hamburg das Konzept eines 922 Millionen Mark billigen Stadtbahnnetzes entscheidungsreif in der Ablage des Senats vor sich hin gammelt, baut München sein Straßenbahnnetz konsequent aus und erneuert für mehr als eine Milliarde Mark seinen Straßenbahnfuhrpark. Auch der U-Bahn-Ausbau schreitet jährlich um drei Kilometer voran.

Die rot-grüne Münchner Verkehrsoffensive zeigt deutliche Erfolge: Mit 220 Fahrten pro Jahr und Einwohner liegt der attraktiv weiträumige Münchner Verkehrsverbund (MVV) inzwischen klar vor den lediglich 180 Fahrten in Hamburg – Zürich kommt gar auf fast 500 Fahrten. Noch 1972, im Jahr der MVV-Gründung, galt der vor 30 Jahren, Ende November 1965, ins Leben gerufene Hamburger Verkehrsverbund (HVV) als leuchtendes Vorbild. Inzwischen haben die Münchner Hamburg weit abgehängt. Und dieser Abstand wird sich in den nächsten Jahren weiter vergrößern.

Während die Staus im Elbtunnel und auf den Einfallstraßen in Hamburg von Monat zu Monat länger werden, stagniert der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV). So soll es nach dem Willen des Hamburger Senats auch in den kommenden Jahren bleiben: Die Mittel für Betrieb und Investitionen des ÖPNV werden eingefroren, die Tarife klettern, das Leistungsangebot verharrt bestensfalls auf gleichem Niveau. Während bundesweit die Regionalisierung des ÖPNV zum 1. 1. 1996 einen Push auslöste, tut sich im Umlandverkehr Hamburg nichts.

Dabei hat der Senat jetzt erstmals selbst schriftlich eingeräumt, daß die Regionalisierung Hamburgs ÖPNV-Kasse mächtig aufbessert: Um 21 Millionen Mark 1996 und 29 Millionen Mark im Jahr 1997 klettern die Zuschüsse des Bundes, das Umland steigert seinen bisherigen HVV-Beitrag um knapp 20 Millionen Mark. Da zudem der Kostendeckungsgrad im HVV dank der Bahnreform und der letzten Tariferhöhung deutlich nach oben sprang und schließlich erstmals Mittel aus dem kommunalen Straßenbau vollständig in den ÖPNV umgeschichtet werden dürfen, hat Hamburg in den nächsten Jahren einen zusätzlichen Finanzierungsspielraum zwischen 100 und 150 Millionen Mark pro Jahr für seinen Nahverkehr. Dieses Geld soll jedoch in die Haushaltssanierung und den Straßenbau fließen.

Trotz deutlicher Kostenein-sparungen hält der HVV zudem an seinen Tariferhöhungsplänen fest, während die Münchner ihre Kostensenkungen wenigstens teilweise an die Kunden weiterreichen. Das fällt ihnen leicht, denn mit 87 Pfennigen Subvention je Fahrgast ist München um 17 Prozent besser als die 104 Pfennige teuren Hamburger. Allein die Autofahrer müssen in der bayerischen Hauptstadt künftig ein kleines bißchen in die Tasche greifen: Der Subventionsmoloch Park & Ride will von den Kosten pro Stellplatz von bis zu 300 Mark pro Monat wenigstens einen kleinen Teil zurück: ein bis zwei Mark pro Tag sollen Autofahrer künftig für den Platz im Parkhaus an die Bahnen zahlen.

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