: Es fehlte die konkrete Analyse
betr.: „Nur ein Denkzettel. Ach so.“, taz vom 31. 8. 99
Philipp Maußhardt wird der Ernsthaftigkeit der Problematik vor Ort in keiner Weise gerecht. Was ist letztendlich gewonnen, wenn erwähnt wird, dass die „Republikaner“ vor Ort besonders stark sind, sich seinerzeit Widerstand gegen eine geplante Asylunterkunft bildete und dem Bürgermeister mehr daran gelegen zu sein scheint, den Ruf seiner Stadt zu retten als rechtsradikale Umtriebe wahrzunehmen? Es wären unbedingt die Fragen zu formulieren, warum dies so ist, was sich dahinter verbirgt. Wie ist es z. B. möglich, dass die „Republikaner“ in der Tat bei vielen Kolbermoorern recht beliebt sind? Was für eine Politik machen sie vor Ort? Oder warum kamen bei der Protestaktion seinerzeit gegen das geplante Asylbewerberheim in kürzester Zeit über 2.000 Unterschriften zusammen? Und was richtet die Bürgerinitiative aus, die sich dagegen bildete und die Asylbewerber mit einer großen Demonstration herzlich willkommen hieß?
Aber auch Fragen zur sozialen Situation wären wichtig gestellt zu werden. Welche Bildungsmöglichkeiten gibt es? In dieser 18.000-Einwohner-Stadt kann man noch nicht einmal einen mittleren Bildungsabschluss erreichen. Und was wird für Jugendliche getan, denn manche von ihnen finden sich in der Tat zu einer rechtsextremen Szene zusammen? Seit Jahren wird vergeblich für einen offenen Jugendtreff gekämpft. Die brutale Gewalttat gegenüber dem Mosambikaner Carlos Fernandos hätte eine sorgfältigere und vor allem kritischere Behandlung verdient gehabt. Eine konkrete Analyse einer konkreten Situation nannte man das mal.Andreas Salomon, Kolbermoor
Es wohnen in Kolbermoor zweifellos prozentual mehr Ausländer als in mancher Nachbargemeinde. Es gibt deshalb Reibereien. Und es gibt eine organisierte rechtsradikale Szene. Dagegen einzuschreiten bzw. solchen Gruppen den politischen Boden zu entziehen, ist Sache der Politik – auch der regionalen – und der Polizei. Wenn der Bürgermeister davor die Augen zumacht, ist das katastrophal. Angst vor Überfremdung ist in Oberbayern, dem Kernland der CSU, oft zu finden – warum auch immer –, geschürt durch die Reden von „Republikanern“ wie Herrn Schönhuber, der in Siegsdorf nicht weit weg beheimatet war, und manchen CSU-Politikern. Wie war das gleich mit der „durchrassten Gesellschaft“? Sollten Ihnen Herr Gauweiler aus München und seine fremdenfeindlichen Tiraden unbekannt sein? Verwechseln Sie mit Ihrem Artikel nicht Ursache und Wirkung?
Sie zitieren den Bürgermeister und die Polizei: „Der Schläger war mit Sicherheit ein Einzeltäter.“ Und fahren – ohne dies weiter zu hinterfragen – fort: „Alle Kolbermoorer sind Einzeltäter.“ Die Menschen in Rostock, Neustrelitz, Eberswalde und vielen anderen Orten in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg, die durch Straftaten von rechtsradikalen Schlägertrupps ins Gerede gekommen sind, wehren sich zu Recht gegen die Behauptungen der rechten Presse, dass alle Bürger ihrer Städte Rechtsradikale seien. Aber Sie, das linke Vorzeigeblatt, müssen so verfahren! Angelika Graf, MdB, Bonn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen