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Hochtief vor der Bruchlandung

■  Ausschluss aus Privatisierungsverfahren der Flughäfen noch vor Wahl wahrscheinlich. Justizsenator Körting (SPD): Komplette Neuausschreibung wäre „sauberste Lösung“

In der Flughafenaffäre hat Justizsenator Ehrhart Körting die Schnauze voll: „Als Vergabezuständiger“, so verkündete er gestern, „kann ich mir nicht auf Dauer auf der Nase rumtanzen lassen.“ Deshalb will er auf der heutigen Senatssitzung einen Antrag zum Ausschluss des Investoren-Konsortiums um den Essener Konzern Hochtief aus dem Verfahren zur Privatisierung der drei staatlichen Berliner Flughäfen einbringen.

Hintergrund sind Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft: Demnach besteht der Verdacht, dass die Beraterfirma WIB sowohl für die Planungsgesellschaft des Großflughafenprojekts in Schönefeld, PPS, wie für das Hochtief-Konsortium tätig war. Körting betonte gestern vor einer Sitzung des PPS-Aufsichtsrates am Abend, ihm lägen eine Reihe von Fakten vor, die bei Hochtief auf einen „schwerwiegenden Verstoß gegen vergaberechtliche Bedingungen“ schließen ließen. Hochtief sei bisher jedoch nicht der Aufforderung nachgekommen, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Ermittlungen laufen gegen den Chef der Frankfurt Flughafen/Main AG (FAG), Wilhelm Bender. Der Verdacht gegen ihn und einen Mitarbeiter: „Beihilfe zum Betrug“. Laut Körting gibt es einen Vertrag zwischen WIB und der FAG, die zum Hochtief-Konsortium gehört. In dem verpflichte sich die WIB, die FAG „bei der Strategie zur Privatisierung deutscher Flughäfen zu beraten“.

Hochtief-Sprecher Werner Baier bezeichnete die Vorwürfe des Senators als „staunenswerte Vorverurteilung“. Man sei weiter entschlossen, das Projekt erfolgreich abzuschließen. Ein Vertreter der FAG betonte, Kontakte mit der WIB hätten nur in einer Zeit bestanden, „als das ohne jeden Zweifel legitim war“.

Der mögliche Ausschluss des Hochtief-Konsortiums aus dem Privatisierungsverfahren ist schon die zweite Schlappe, die diese Investorengruppe in kurzer Zeit hinnehmen musste. Das Konsortium hatte zunächst den Auftrag für die Privatisierung und den Neubau des Großflughafens in Schönefeld erhalten. Das Brandenburger Oberlandesgericht aber hatte den Zuschlag an Hochtief wegen fünf Vergaberechtsverstößen für unrechtmäßig erklärt. Seitdem muss die Schlussphase der Privatisierung wiederholt werden. Auch die zuvor unterlegene Investorengruppe IVG darf sich wieder um das Milliardenprojekt bewerben.

Experten halten es für sehr wahrscheinlich, dass das Hochtief-Konsortium noch vor der Wahl ausgeschlossen wird. Offenbar habe sich der Senator so geärgert über den Versuch des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen (CDU), von seiner Schuld als Aufsichtsratschef der Flughafenholding (BBF) abzulenken, dass er am Wochenende zu Hause eine Pressemitteilung mit seinen Ausschlussplänen formulierte und dann veröffentlichte.

Körting erwartet mögliche Schadenersatzklagen Hochtiefs gelassen: „Wenn ein Bewerberkonsortium gegen Vergaberegeln verstößt und deswegen ausgeschlossen wird, dann kann daraus keine Schadenersatzforderung entstehen“, betont er. Nun könne man mit der IVG oder zuvor ausgeschiedenen Bietern weiterverhandeln. Auch eine komplette Neuausschreibung des Verfahrens sei möglich: Dies wäre „die sauberste Lösung“ . Philipp Gessler

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