■ Soundcheck: Alton Ellis/Joseph Cotton / Vienna Scientists / Novi Compositori
Heute: Alton Ellis/Joseph Cotton. „If loving you is wrong, I don't want to be right“: Süß mäandert die Stimme um Bass und Off-Beat herum und wärmt das Herz. Der Mann, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Motown nach Trenchtown kam, wird „Mr. Soul of Jamaica“ genannt und heißt Alton Ellis. Als Mitte der 60er Jahre dem Ska die scharfen Bläser-Ecken abgeschliffen und die schnellen Instrumentals durch gefühlvollere Gesangsnummern abgelöst wurden, war er der richtige Mann zur richtigen Zeit: Als erster benutzte er in „Get Ready, Rock Steady“ den Begriff, der die Übergangsphase zum Reggae bezeichnete.
Ellis' Position war zu dieser Zeit so gefestigt, dass er es sich als einer der wenigen leisten konnte, sowohl für Clement Dodds Studio One-Label als auch für dessen Rivalen Treasure Isle zu arbeiten. Trotz seines unangefochtenen Status auf Jamaika blieb ihm aufgrund der Labelpolitik seiner Produzenten Dodd und Reid eine angemessene Entlohnung verwehrt. Anfang der 70er Jahre verließ er deshalb Jamaika, lebte eine Weile in Kanada und Japan und ließ sich schließlich in London nieder. Von da an konnte er zwar von der Musik leben, nahm aber fast keine neuen Songs mehr auf.
Dem europäischen Publikum waren seine Werke bisher nur auf raren, oft schlecht zusammengestellten Compilations zugänglich. Bis Hans Peters vom Selekta-Laden in der Bartelsstraße sich entschloss, seine Alton-Ellis-Lieblingssingles als CD auf dem neugegründeten Moll-Selekta-Label zu veröffentlichen. Ellis selbst hat das Interesse aus Hamburg gefreut: „Endlich hatte mal jemand Geduld.“ Arise, Black Man zeigt ihn vor allem von der spirituellen und politischen Seite seiner 70er-Jahre-Roots-Reggae-Aufnahmen. Und noch einmal hat sich Peters um den mittlerweile 60-Jährigen verdient gemacht, indem er ihn nach Hamburg holte, wo er gemeinsam mit Joseph Cotton heute Abend in der Fabrik seinen berühmten Charme spielen lassen wird.
Fabrik, 21 Uhr
Heute: Vienna Scientists. In Wien gehen die Uhren bekanntlich etwas anders; heißt: um einiges langsamer. Eh man sich versieht, ist da der ganze Sommer ruckzuck dauerkiffend weggechillt; und wenn jemand wie Patrick Pulsinger dabei noch in einen seiner Sportwagen steigt, geht es auch dabei vor allem um eins: die Unterschreitung sämtlicher Mindestgeschwindigkeiten – berichten zumindest gut informierte Augenzeugen. Vekehrsgefährlich ist dieses Cruisen und Chillen natürlich selten. Musikalisch korreliert es mit einer dubbigen Wolke noch über dem letzten, in der Ecke versteckten Breakbeat. Dass einem vor soviel Mellowness dann doch nicht bange wird, liegt daran, dass die Vienna Scientists um den übercharmanten Steve McQueen der Wiener House-Szene die Sache ziemlich präzise angehen – auch wenn der Chef heute zuhause bleibt.
Lounge, 23 Uhr
Heute: Novi Compositori. Was Pulsinger der Porsche, ist den Russen der Sputnik. Seit den späten 70ern sind die Novi Compositori im Leningrader bzw. Petersburger Underground als DJs aktiv. Sie drückten ihren Klassenkameraden bereits Disco aufs Ohr, als die noch ausschließlich Metal hören wollten und vertonten Gagarins Abenteuer fürs Planetarium. Mittlerweile haben auch sie einige fundamentale Systemveränderungen hinter sich gebracht und kommen heute Abend in den Matrix Club, um zu beweisen, dass es so etwas wie russischen Ambient-Techno gibt.
Matrix Club, Waterloostr. 13, 22 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen