piwik no script img

Das Airport-Kartell

Eine Kriminalgeschichte über einen Berliner Großflughafen, der vielleicht nie gebaut wird. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht immer zufällig    ■ Von Richard Rother

Kilian Krieger sitzt im Flieger, unter sich die Hauptstadt. Die Spätsommersonne spiegelt sich in den vielen Seen und Flussarmen. Kilian Krieger ist Geschäftsführer der Berliner Flughafengesellschaft. Er liebt diese Aussicht. Heute aber kann er sich nicht daran erfreuen. Krieger ist unruhig, hat sogar vergessen, auf welchem seiner drei Flughäfen er heute Nachmittag landen wird. Tegel ist ein Flegel, Tempelhof wie Krempel doof und Schönefeld ein ödes Feld, summt er gegen seine Unruhe an. Schönefeld ist es, stellt er erleichtert fest. Hier ist sein Büro, hier kennt er sich aus, kommt an seinen Schreibtisch. Krieger grübelt: War es richtig, der Wirtschaftswoche die Wahrheit – seine Wahrheit – zu sagen?

Er kaut an seinem Kugelschreiber. Da springt die Tür auf. Der oberste Boss platzt rein. Unangemeldet. Wütend funkeln die Augen – eine Regung, die niemand in Berlin dem Regierenden Bürgermeister zutrauen würde. „Entlassen!“, brüllt Diepgen. „Äh, beurlaubt“, korrigiert er sich. Diepgen ist sauer. So sauer, dass er diesem Saboteur persönlich eine verpassen musste. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Und wer gegen uns ist, fliegt raus!“ Diepgen knallt ihm einen Wisch auf den Tisch. Dann verschwindet er. Krieger schaut auf das Papier: „Verstoß gegen das Unternehmensziel.“ Krieger muss grinsen.

*

Rückblende: Ende März knallen in Essen die Sektkorken. Es ist geschafft, die Baulöwen brüllen: „Ein Hoch auf Hochtief.“ Konzernchef Hans-Peter-Keitel ist überglücklich: „Wir haben den Fang an Land gezogen, die Berliner Flughäfen gehören jetzt uns Essenern.“ Die Manager prosten sich zu. 15 Pozent Rendite garantiert im Kaufvertrag. Das ist kein Pappenstiel. „Und den neuen Großflughafen bauen wir mit einer Kelle.“ – Ruhrgebietsweisheiten.

Gleichzeitig Katerstimmung bei der Konkurrenz in Bonn. Die Herren der IVG-Holding fühlen sich betrogen. „Wir haben das besser Konzept, die haben den Zuschlag bekommen.“ IVG-Manager Klaus Kollen glaubt an einen schlechten Aprilscherz, aber er hat eine Idee: „Wir werden den Brüdern auf die Schliche kommen.“

*

Privatdetektiv Christan Krempe schaut gespannt aus dem ICE-Fenster. Die Frankfurter Skyline rückt in sein Blickfeld. Hier hocken sie also, denkt er. Krempe muss die Zeit bis zum Abend rumkriegen und spaziert über den Main. „Ich steh auf der Brücke und spuck in den Kahn, da freut sich die Spucke, dass sie Kahn fahren kann.“ Wenn einem nichts mehr einfällt, rezitiert man Kinderreime auf der Autobahnbrücke.

Das Fenster war für Krempe kein Hindernis. Auch mit dem Safe hat er kaum Probleme. Nur der Fluglärm nervt, als er die Akten im Verwaltungstrakt der Frankfurter Flughafen AG durchstöbert, die zum Hochtief-Konsortium gehört. Krempe findet die Hinweise, die er sucht.

*

Wochen später steht die Kriminalpolizei vor der Essener Hochtief-Zentrale. Hausdurchsuchung. Keitel ist entsetzt. „Was wollen Sie denn hier?“, herrscht er den Staatsanwalt an. Der bleibt ruhig. „Wir ermitteln gegen Herbert Märtin, wegen Betruges.“ Märtin arbeitete für die Berliner Flughafenholding, gleichzeitig standen seine Untergebenen im Dienst der Frankfurter Flughafengesellschaft. „Im Übrigen statten meine Frankfurter Kollegen gerade auch Ihren dortigen Freunden einen Besuch ab.“

Keitel muss zusehen, wie Akte um Akte durchblättert, Schublade um Schublade durchwühlt, Mülleimer um Mülleimer inspiziert werden. „Was haben wir denn da?“, gibt sich der Staatsanwalt überrascht. „Unterlagen der Konkurrenz? Herr Keitel, wie kommen die denn hier her?“ Herr Keitel sagt, er sage gar nichts mehr. „Hat Herr Märtin ... ?“, bohrt der Staatsanwalt. „Und schon gar nicht ohne Anwalt.“

*

Nach einem guten Strafverteidiger sehnt sich zur gleichen Zeit Wilhelm Bender, Chef des Frankfurter Flughafens. „Beihilfe zum Betrug“ steht auf dem Durchsuchungsbefehl. Wichtiger aber noch ist Bender, ob sie es finden – das Papier, das vielleicht noch irgendwo zwischen unwichtigen Akten versteckt ist. Oder hat es der Reißwolf gefressen? Krempe jedenfalls war sich sicher, einen brisanten Aktenvermerk entdeckt zu haben. Einen detaillierten Tatplan, in dem steht, wie die Frankfurter mit Märtin Einfluss auf die interne Berliner Flughafenplanung ausüben wollten.

*

Im August knallen die Sektkorken in Bonn. Soeben hat ein Gericht entschieden, dass der Sechs-Milliarden-Deal zum Teil unrechtmäßig war. Kollen ist zufrieden mit Krempe. „Die Essener werden nicht noch einmal den Zuschlag kriegen“, verkündet er seinen Vertrauten. Aber hat nicht auch die IVG versucht, Märtin für sich zu gewinnen, wie dieser behauptet?

*

Krieger geht das nichts mehr an. Er ist entlassen. Macht nichts, wollte je eh alles hinschmeißen. Krieger räumt seinen Schreibtisch auf. Der Flughafen ist gestorben, ist sich Kilian sicher – weder die einen noch die anderen werden das „Big Buisness“ machen. Zu viel Ärger, zu wenig Geld. Und zu spät ist es auch schon. Die Konkurrenz schläft nicht. Nichts anderes hatte er der Wirtschaftswoche gesteckt, die öffentliche Verunsicherung in Berlin kalkulierend. Die Manager der konkurrierenden Flughäfen freuen sich. Zum Beispiel die Münchener. Krieger nimmt den Telefonhörer ab: Berlin brauche keinen Großflughafen. Ein Regionalflughafen – als Zubringer für München – reiche völlig aus, diktiert Krieger dem Redakteur des Magazins noch ins Notizbuch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen