piwik no script img

SPD bleibt sich einspurig treu

Bundesverkehrsminister Franz Müntefering will den Transrapid einspurig bauen. Selbst dafür braucht er 1,6 Milliarden Mark mehr als veranschlagt  ■   Von Katharina Koufen

„Spätestens im fünften Betriebsjahr muss eine Nachrüstung auf Doppelspur und 20-Minuten-Takt erfolgen“

Berlin (taz) – Im Geiste hatten sich die Bundestagsabgeordneten schon von Franz Müntefering (SPD) als Verkehrsminister verabschiedet. Als seine letzte Amtshandlung hatten sie die Absetzung von Bahn-Chef Johannes Ludewig betrachtet, doch dann hatte Müntefering in der Haushaltsdebatte am Donnerstagabend einen großen Auftritt. Die Magnetschwebebahn Transrapid wird gebaut, verkündete er, und zwar einspurig. Da die Bundesregierung sich die zweispurige Strecke zwischen Hamburg und Berlin nicht leisten könne, werde der Transrapid für die veranschlagten 6,1 Milliarden Mark eben einspurig fahren.

„Eine schlitzohrige Mogelpackung“, wetterte gestern Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Er fühlt sich verschaukelt, hatte seine Fraktion doch den Kabinettsbeschluss Ende Juni als klares Aus für das teure Prestigeprojekt verstanden, dessen Kosten inzwischen mindestens auf neun Milliarden Mark veranschlagt werden.

Damals hatte das Kabinett entschieden, die Bundeszuschüsse für den Transrapid nicht um die fehlenden drei Milliarden aufzustocken, sondern es bei den zugesagten 6,1 Milliarden zu belassen. Darauf hatten sich die Grünen und die SPD auch vor einem Jahr im Koalitionsvertrag geeinigt.

Kurz vor Beginn der Haushaltsdebatte am Donnerstag hatte Kanzler Schröder den Fraktionssprecher der Grünen, Rezzo Schlauch, noch in die jüngsten Pläne aus dem Hause Müntefering eingeweiht. Schlauch forderte zwar, dem Verkehrsminister die Signale auf Rot zu stellen, doch offensichtlich konnte er sich nicht durchsetzen.

Einen „Abschiedsscherz“ nannte Albert Schmidt den Beschluss des scheidenden Ministers. Die SPD halte sich nicht an den Koalitionsvertrag, denn: „Die halbierte Strecke für den gleichen Preis ist eben nicht die Einhaltung des vereinbarten Preisniveaus, sondern der doppelte Preis“, sagte Schmidt.

Aber auch bei Teilen der SPD-Fraktion selbst herrschte gestern Erstaunen über die einspurigen Pläne. Einen „Schildbürgerstreich“ nannte ein Abgeordneter die Verlautbarungen von Müntefering empört. Eine Mehrheit der Fraktion sei gegen den eingleisigen Bau des Transrapid, hieß es aus der SPD-Fraktion. Die „parlamentarische Linke“, wie es ein Abgeordneter formulierte, werde sich wehren und habe bereits am Freitagmorgen einen Protestbrief an Kanzler Gerhard Schröder geschickt. Hamburgs Oberbürgermeister Ortwin Runde (SPD) sah immerhin „zukunftsorientierten Gestaltungswillen“ in der Einspurlösung.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) begrüßte den Entschluss Münteferings. Und auch die mit dem Projekt Transrapid beauftragte Magnetbahn-Planungsgesellschaft hält Münteferings Vorschlag nach eigenen Angaben für „machbar“.

Dem widerspricht allerdings eine im März dieses Jahres durchgeführte Studie. Der Bau einer eingleisigen Transrapid-Strecke lohne sich nicht, schreiben die Verfasser der Studie, die im Auftrag der Deutschen Bahn erstellt wurde. Seitdem sich alle Industrieunternehmen aus dem Bau der Transrapid-Strecke verabschiedet haben, liegt das finanzielle Risiko einzig bei der staatlichen Bahn und somit bei der Bundesregierung.

Würden Münteferings Pläne durchgeführt, wäre eine Anfangsinvestition von acht Milliarden Mark nötig – und nicht, wie vom Minister versichert, nur 6,1 Milliarden Mark, heißt es in der Studie. Außerdem sei mit „deutlich verringerten Ertragspotenzialen“ zu rechnen, und die „Verfügbarkeit und betriebliche Zuverlässigkeit werden vermindert“. Fazit: „Spätestens im fünften Betriebsjahr muss dann eine Nachrüstung auf Doppelspur und Zwanzig-Minuten-Takt erfolgen.“ Das würde jedoch weiter 1,6 Milliarden Mark kosten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen