: „Geo“ mit Ich
■ Das US-Magazin „National Geographic“ erscheint ab Montag auch auf Deutsch
Phileas Fogg hätte auf jeden Fall ein Abo. Der Held aus „In 80 Tagen um die Welt“ könnte den National Geographic als Leib-und-Magen-Lektüre mit auf Abenteuerreise nehmen, wahrscheinlich würde er sich sogar als freier Autor dort bewerben. Aber wer soll das spektakuläre populärwissenschaftliche Magazin, das ab Montag erstmalig mit einer deutschen Ausgabe im Handel sein wird (Einführungspreis 5 Mark, bald wird's teurer, sagt der Verlag) sonst noch lesen?
Die amerikanischen Paten und die deutsche Redaktion der Zeitschrift geben sich zuversichtlich – so zuversichtlich, dass man ihnen auf der Pressekonferenz fast glaubt, dass es „potenziell 7,5 Millionen Interessierte gibt“ und man die Auflage „ganz schnell auf 200.000 aufbauen möchte“.
Gruner + Jahr-Vorstandsmitglied Rolf Wickmann denkt und spricht in Superlativen, eben der sagenumwobenen Geschichte des Magazins angemessen. Früher nämlich, als die Welt noch nicht komplett erforscht, der Mensch neugierig und das Budget für Journalisten unerschöpflich war, da war National Geographic (NG) einfach überall dabei. Entdeckte Inka-Städte, öffnete Pharaonengräber, tauchte mit Jacques Cousteau und buddelte am Titanic-Wrack. Die 1888 gegründete Zeitung unterstützte fast alle Expeditionen dieses Jahrhunderts finanziell, und Schreiber und Fotografen hatten unbegrenzt Zeit für ihre exklusiven Geschichten.
Nur ein Fünftel produziert die deutsche Redaktion
Das ist natürlich heutzutage anders: Man hat die Anzahl der Texte erhöht, hat sich sogar von der Maxime getrennt, dass „nichts gedruckt wird, das Partei ergreift oder umstritten ist“ und dass „alles Unangenehme oder unangemessene Kritik zu vermeiden sei“. Eine Losung, die der legendäre Chefredakteur Gilbert Hovey Grosvenor, Schwiegersohn des NG-Sponsors Alexander Graham Bell, Anfang des Jahrhunderts ausgegeben hat.
Heute kann man ein buntes, mit wunderschönen Fotos vollgeklebtes Hochglanzmagazin durchblättern, das so richtig Neues natürlich nicht mehr zu bieten hat. Trotz anders lautender Ansagen unterscheidet es sich eigentlich nur durch die abenteuerliche „Ich-Form“ der Erzählungen und die Lust auf Adjektive vom verlagsinternen Konkurrenten Geo. Die Themenauswahl ist beim NG allerdings durch dasWashingtoner Mutterblatt vorgegeben, nur 20 Prozent werden von der neunköpfigen deutschen Redaktion selbst produziert. Ob die abenteuerlustigen „besser gebildeten jungen Männer und Frauen“ (G + J) das zu goutieren wissen?
Man setzt auf „geographisches Analphabetentum“
Wenn nicht, muß sich der Verlag schnell etwas Anderes überlegen. Im Gegensatz zur amerikanischen National Geographic Society, die sich jeden Gewinn in die eigene Tasche stecken dürfte, aber die Moneten lieber für neue Projekte und den Aufklärungnimbus der Zeitung rausschleudert, lugt beim Hamburger Verlagsriesen G + J und dem Mitherausgeber, der spanischen Verlagsruppe RBA, das unverhohlene Interesse am schnöden Mammon hervor. Und so umwirbt man die Deutschen, Polen und Franzosen (auch dort startet das Heft am Montag) mit Sekundär-Devotionalien wie Büchern und Videos. Und hofft man auf ein ähnliches „geographisches Analphabetentum“ (so der ehemalige Chefredakteur Gilbert Melville Grosvenor) wie in den USA und die daraus resultierende Überraschung und Freude über Themen wie „Nashornvögel“ und „Krisenherd Kaschmir“.
Ob's klappt, ob der Bedarf der wissenschaftlich Interessierten nicht längst durch Geo, P.M. und Fachbücher gedeckt ist, oder ob der angepeilte Leser nicht ohnehin lieber echte Fiktion im T.C.-Boyle-Stil liest, wird sich zeigen. Ein ganz starkes As hat der Verlag allerdings noch im Ärmel: Reinhold „Zehenkönig“ Messner sitzt im wissenschaftlichen Beirat des Magazins. Jenni Zylka
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