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Völkerkunde und Medien    ■ Von Björn Blaschke

Der Auftrag scheint auf den ersten Blick hin schnell und leicht: „Schreiben Sie doch bitte ein kurzes Stück über das Verhältnis von Ethnologie und Journalismus.“ Das „kurze Stück“ könnte z. B. so heißen: „Was interessiert mich die Ethnologie; ich muss mein Programm füllen.“ Oder: „Völkerkunde – und mein Blatt geht vor die Hunde!“ Aber auf den zweiten Blick ist dieser Auftrag gar nicht so schnell und leicht zu erledigen, jedenfalls nicht für einen Redakteur mit aufklärerischem Impetus.

Jeden Blatt-, Radio- oder Fernsehmacher nämlich verlangte es in seinem Journalistenleben schon einmal nach einem Ethnologen. Nicht oft, aber es gibt tatsächlich Tage, an denen ein Medienmensch unbedingt in Erfahrung bringen muss, worin sich die Rezepte für Sauerbraten unterscheiden – am linken Niederrhein, auf den Admiralitätsinseln und in der Wüste Gobi. An anderen Tagen wieder, vornehmlich den internationalen für Umwelt oder Natur, soll das Publikum erfahren, auf welche Weise der Papua-Neuguineanese sein Altglas verarbeitet. Da stößt der Journalist beim nächstgelegenen Institut für Völkerkunde an dessen Grenzen: „Tut mir leid, aber damit haben wir uns noch nie beschäftigt. Aber bei den Unterschieden zwischen der uigurischen und der friesischen Löffelschnitzkunst zwischen 1713 und 1733, da könnten wir Ihnen helfen ...“

Angesichts solcher Erfahrungen mit den wenig gegenwärtigen Forschungsprojekten der Völkerkundler gibt sich das Gros der Medienvertreter irgendwann lieber gleich selbst die passenden Antworten. Es wäre indes ungerecht, allen Ethnologen Modernitätsferne zu unterstellen. Natürlich gibt es auch solche, die in ihrer Arbeit der Aktualität Rechnung tragen. Immer wieder tauchen sie auf, wenn in China oder Iran Studentenunruhen ausbrechen, und immer sind sie zu spät dran, weil sie gerade erst von einer Forschungsreise zurückgekehrt sind. Da wurde der Experte Iranist oder Sinologe längst konsultiert, der sich ohnehin besser auskennt, weil er sich nicht ständig damit beschäftigt, wie zwischen 1979 und 1997 Perserinnen und Chinesinnen ihre Hochzeitskleider schnürten.

Auch in Kulturredaktionen erscheinen zuweilen Völkerkundler. Meist ziehen sie aus ihrer Mappe mindestens zehn eng bedruckte Textseiten zum Thema: „Denken Sie doch bloß einmal an die ganzen Naturvölker, die ohne Regenwälder auskommen müssen.“ Und zehn weitere Blätter Anhang, auf denen viele schwarze Punkte durch noch mehr bunte Striche verbunden sind. Auf Nachfrage teilt der Völkerkundler dann gerne mit, dass das keine Strickanleitung sei, sondern das komplizierte Beziehungsgeflecht des neuesten Romans von XY nachzeichne.

Häufiger noch als derartige „Öffentlichkeitsarbeit“ ereilen die Redaktionen Besuche jener jungen Ethnologen, die gerade ihr Studium abgeschlossen haben. Da sie ja etwas „Außergewöhnliches gelernt haben“ und sich da oder dort „prima“ auskennen, „würden“ sie „mal ein Praktikum machen wollen“, um Journalisten zu werden. Dass die bloße Tatsache, das Abc gelernt zu haben, noch lange nicht zum Schreiben befähigt, haben sie leider nicht gelernt, obwohl diese Weisheit eine ist, die in jedem Kulturraum und zu jeder Zeit Gültigkeit besitzt – gehört sie doch zur Ethno-Logik.

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