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Kleiner Nobelpreis für Scheer

Weil der SPD-Politiker die alternativen Energien europaweit unermüdlich pusht und sich dabei auch von der eigenen Partei nicht abschrecken lässt  ■   Von Bernward Janzing

Freiburg (taz) – Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Solarexperte Hermann Scheer bekommt in diesem Jahr einen der vier Alternativen Nobelpreise. Wie am Donnerstag in Stockholm mitgeteilt wurde, erhält Scheer die Auszeichnung für seinen „unermüdlichen Einsatz zur Förderung der Solarenergie“. Besonders hervorgehoben wurde sein „Einsatz gegen politische und institutionelle Widerstände, die Interessengruppen der Atomkraft und der fossilen Energieträger häufig durchzusetzen versuchen.“

Scheer bezeichnete die Auszeichnung gestern als „Ermutigung“ und als Anerkennung dafür, dass er „keine falschen Kompromisse bei einem zentralen ökologischen Thema“ mache. Der 55jährige ist Präsident der weltweit größten Solarenergie-Vereinigung Eurosolar.

Der Politiker gilt in Deutschland als der Vater des 100.000-Dächer-Programms, mit dem die rot-grüne Regierung seit Jahresbeginn die private Nutzung der Solarenergie in Deutschland massiv voranbringen will. Dieses Förderprogramm hatte er schon 1994 ins sozialdemokratische Regierungsprogramm eingebracht und nach dem Wahlsieg 1998 in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt. Es ist das umfassendste Solarförderprogramm, das es jemals in Deutschland gegeben hat.

Bereits im Juli des vergangenen Jahres hatte er für sein Engagement den Welt-Solar-Preis erhalten. Den Weg zur Solarenergie fand Scheer erst in den Achtzigerjahren. Der ehemalige Leistungssportler im modernen Fünfkampf und spätere Leutnant der Bundeswehr studierte von 1967 an in Heidelberg und Berlin Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und promovierte anschließend. Von 1972 bis 1976 war er wissenschaftlicher Assistent an der Universität Stuttgart, bevor er zum Kernforschungszentrum Karlsruhe ging, wo er im Bereich technische Systemanalysen tätig war.

Seine politische Laufbahn begann Scheer 1965 mit seinem Eintritt in die SPD, wo er sich bei den Jungsozialisten engagierte. 1973 wurde er baden-württembergischer Landesvorsitzender und kam 1980 in den Bundestag. Dort galt sein Interesse anfangs besonders der Friedenspolitik: Scheer wurde 1982 Vorsitzender der Arbeitsgruppe Abrüstung und Rüstungskontrolle der SPD-Fraktion. Auch während des Kosovo-Krieges hielt er sich nicht mit Kritik an der eigenen Partei zurück und forderte im April einen unverzüglichen Stopp der Nato-Angriffe. Mehrfach hatte er in den vergangenen zwölf Monaten Pläne und Entscheidungen der rot-grünen Regierung offen attackiert. Unter anderem auch wegen der Ökosteuer, die er als zu lasch kritisierte.

International bekannt wurde er jedoch durch sein Solarengagement. 1988 gründete Scheer die gemeinnützige Europäische Sonnenenergievereinigung Eurosolar, deren Ziel es ist, die atomaren und fossilen Energiequellen vollständig durch die erneuerbaren Energien zu ersetzen. Scheer gibt die Zeitschrift Solarzeitalter heraus sowie ein englischsprachiges Jahrbuch über erneuerbare Energien.

Eurosolar hat inzwischen 20.000 Mitglieder und ist damit die weltweit größte Vereinigung ihrer Art. Unter den Mitgliedern sind Europa-, Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie Bürgermeister und kommunale Mandatsträger, wodurch Eurosolar hohes politisches Gewicht erhält.

Scheer, der sich auf Veranstaltungen durch seine deutlichen und oft pointierten Worte immer viele Sympathien bei den Zuhörern verschafft, hat seine Einstellungen zur Zukunft der Erde 1993 in seinem Buch „Sonnen-Strategie“ formuliert. Für ihn ist der Wandel der Energiewirtschaft die grundlegende Voraussetzung für eine ökologische Zukunft. Anders als manche Umweltanalytiker setzt Scheer darauf, dass der Prozess der kollektiven Selbstzerstörung der Menschheit noch zu stoppen ist. Als Wirtschaftswissenschaftler greift er die ökonomisch wie ökologisch schädliche Atomwirtschaft immer wieder massiv an.

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