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FAZ-Mag: Mitte!

(72) „Fascho-Semantik!“ Das war es doch, „frivole Fascho-Semantik“, genau. Reinhard Mohr fühlte sich. Es war wie früher. Er war ein 79er, das hatte er selbst geschrieben. Mohr dachte an die alten Zeiten in Frankfurt. Die größeren Kinder hatten Molotows auf grüne Männer geworfen und Spaß gehabt. Wie hatte er sie beneidet, von ferne, denn er war zu klein gewesen, um mitspielen zu dürfen. Später, beim Pflasterstrand, hatte er deshalb ganz besonders radikale Sachen geschrieben. Aber so richtig hatte das auch nichts genützt. Mohr sah sich um. Die Single-Bar in Berlin-Mitte war rappelvoll, nur sein Tisch blieb seit Stunden leer. Er versank wieder in der Erinnerung. Jeden hatte man Fascho nennen dürfen damals. Eine tolle Zeit. Wenn einer klüger war oder mehr Charme und Glück bei den Mädchen hatte: Fascho! Auch heute klappte das noch: Was nicht war wie Mohr und Mohrs Aufsteiger-Vorbilder, war tendenziell fascho. Wie hatten sie damals gesungen: „Ob mongolo-, polaro-, paranoid, das schönste o-id ist faschistoid!“ Ich will eine Frau, dachte der Journalist noch. Dann schlief er ein.

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