Zur Produktion verdammt

Ein deutscher Unternehmer darf seine Firma in Marokko nicht schließen, obwohl er Verlust macht. Mit staatlicher Unterstützung drückt ihn die Konkurrenz in die roten Zahlen  ■   Von Reiner Wandler

Madrid (taz) – Unternehmer Husni Zeino Mahmalat lächelt gequält. Was er von der Liberalisierung der Wirtschaft im nordafrikanischen Staat Marokko hält? Bemüht sich die Regierung wirklich um ausländische Investoren? Einst galt Zeinos Firma „Marocaine Goutte a Goutte („Marokkanische Tröpfchenbewässerung“, MGG) als Vorzeigebeispiel in Sachen deutscher Entwicklungshilfe für die aufstrebende marokkanische Ökonomie. „Jetzt würde ich am liebsten einfach abhauen“, sagt Zeino, der deutsche Unternehmer syrischer Abstammung. Doch es gibt Hindernisse: „Wer lässt schon gerne eine Ruine von sieben Millionen Mark hinter sich zurück?“

So viel nämlich hat Zeino zusammen mit 13 weiteren Aktionären in seinen Betrieb in der marokkanischen Hauptstadt Rabat investiert, um Leitungen aus PVC und Polyethylen, Verbindungsstücke und Düsen für die Tröpfchenbewässerung in der Landwirtschaft herzustellen. Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau steuerte drei Millionen bei. „Alles lief perfekt bis 1993“, erzählt Zeino.

Damals wurde sein Hauptzulieferer für Roh-PVC, die damals staatliche Firma SNEP, privatisiert. Der neue Besitzer Miloud Chaabi, ein Multimillionär, bekam von der Regierung als freundschaftliche Geste einen fünfjährigen Schutz gewährt – er gehört einer der größten Parteien des Landes, der national-konservativen Istiqlal, an. Fünf Jahre lang wurde er durch überhöhte Einfuhrzölle vor PVC vom Weltmarkt geschützt. Chaabi nutzte dies, um für Zeino die Preise hochzusetzen und selbst ins Rohrgeschäft einzusteigen. Die MGG konnte bei einer solchen Wettbewerbsverzerrung nicht mehr mithalten.

„Chaabi ist jetzt auf dem besten Weg, ein Monopol im gesamten PVC-verarbeitenden Bereich aufzubauen“, sagt Zeino. Als Beweis dient ihm ein Fax, das ihn August 1998 Jahres erreichte. Die Dimatit SA in Casablanca, einer der unzähligen Firmen Chabis, bietet PVC-Rohre weit unter dem an, was für die MGG Selbstkostenpreis ist. So hält Chaabi 70 Prozent Marktanteil. Wenn die MGG zumacht, wären es 85 Prozent.

„Es sollte noch schlimmer kommen“, sagt Zeino. „Mir wurde die Genehmigung zur Schließung des Betriebes nicht erteilt.“ Damit kann er das Unternehmen nicht aus dem Register streichen lassen – was ein schlechtes Licht auf die Öffnung des marokkanischen Marktes werfen würde. Selbst wenn der Unternehmer die Produktion einstellte, müsste er somit Gewerbesteuern und den Lohn für die Belegschaft weiterbezahlen. Die MGG läuft seither auf 25 Prozent ihrer Kapazität. „Wir machen so weniger Miese, als wenn wir die Produktion ganz einstellen“, erzählt der Firmenchef, der das Kapital mehrmals aufgestockt hat, um den Betrieb vor dem Konkurs zu bewahren. Anfang des Jahres hoffte Zeino dann wieder. Die fünfjährige Protektion für Chaabi war abgelaufen. Und die neue Regierung unter dem Sozialisten Abderrahmane Youssoufi versprach die Demokratisierung des Landes. Doch Zeinos Erwartungen auf eine Lösung seines Problems sollten schnell enttäuscht werden. Denn die Regierung – an der neben sechs weiteren Parteien auch die Istiqlal beteiligt ist – verabschiedet einfach nicht den entsprechenden Ministererlass zur Aufhebung der PVC-Schutzzölle. Mittlerweile hat Zeino mehrere Protestbriefe an Industrieminister Alami Tazi und selbst an Premierminister Youssoufi geschickt. „Ohne Reaktion“, sagt der MGG-Chef verbittert.

Zeino ist nicht das einzige Opfer dieses seltsamen Protektionsgebarens. Der spanische Konzern Uralita wollte 30 Millionen Mark investieren. Auch er wollte PVC weiterverarbeiten. „Als wir sahen, dass sich am 31. Dezember 1998 nichts änderte, haben wir Alternativen gesucht“, zitiert die marokkanische Wirtschaftszeitung L'Ecomomiste einen Vorstandssprecher. Uralita ist nach Frankreich und Brasilien ausgewichen.

Zeinos Betrieb ist mittlerweile so heruntergewirtschaftet, dass Zeino selbst bei der EU vom Programm für klein- und mittelständische Unternehmen ausgeschlossen wurde. „Die sagten uns: Bringen Sie Ihr Problem mit der Regierung in Ordnung, dann sehen wir weiter“, erklärt Zeino. Ein Teufelskreis, aus dem ihm selbst die deutsche Botschaft mit ihren Protestnoten an König Hassan II. nicht heraushelfen konnte. Als letzte Möglichkeit hat er Ende letzter Woche einen Bittbrief an den neuen König Mohamed VI. geschickt. „Wenn er es mit seinem Versprechen nach mehr Demokratie ernst meint, müsste er mir helfen“, sagt Zeino. Und wenn nicht? „Irgendwann reicht es mir, und ich hau tatsächlich ab, dann können die mich ja per Interpol suchen lassen“, sagt Zeino wütend.